Heute ist ein besonderer Tag. Unser Ausflugsschiff legt vom Kelheimer Hafen ab und gleitet langsam durch die Weltenburger Enge. Das Schiff »Ludwig der Kelheimer« bringt uns zum Kloster Weltenburg. Mit Gebietsbetreuerin Franziska Jäger möchte ich an diesem Tag in das Naturschutzgebiet »Weltenburger Enge« erkunden.

Indiansummer an der Donau
Es ist Spätherbst und Indiansummer in der Welenburger Enge. Wir schippern mit dem Schiff gemächlich flussaufwärts, es kehrt Ruhe und Stille ein. Die herbstlich gefärbten Rotbuchen reichen bis ans Flussufer. Ihre braunroten Blätter spiegeln sich im Wasser, Sonnenstrahlen funkelnden im Herbstlicht. Für eine Dreiviertelstunde reisen wir mit dem Schiff in eine andere Welt. Die Zeit bleibt stehen. Am Amazonas könnte es kaum attraktiver sein. Die intakte Natur der Weltenburger Enge ist Fundament und Zufluchtsort für eine reiche Artenvielfalt, die es hier gibt. In dem 560 Hektar großen Gebiet dokumentierten Kartierer 1200 verschiedene Tier- und Pflanzenarten, davon sind 300 Arten geschützt oder streng geschützt. Franziska Jäger ist hier Gebietsbetreuerin. Niemand anderer kennt sich besser aus hier im Naturschutzgebiet.
Naturbeobachtung in der Weltenburger Enge
Enten und Gänsesäger flattern vor uns hoch. Ein Reiher schwebt elegant im Gleitflug vorbei. Vom Schiff aus beobachten wir jagende Graureiher. Die Vögel stehen regungslos auf einem Bein im Flachwasser. Im entscheidenden Moment schleudern sie ihren dolchförmigen Schnabel auf die Beute. Am Fluss entlang ist reges Leben. Franziska reicht mir den Feldstecher. Schau: »Dort auf dem Ast sitzt ein türkis schimmernder Eisvogel«.
In den Hangwäldern der Weltenburger Enge, hinter der Einsiedelei von Eremit »Antonius« wachsen Eiben. Dieser Baum gilt als Weltenbaum und viele Mythen ranken sich um ihn. Eiben gab es bereits zur Zeit der Dinosaurier. In der Jungsteinzeit verwendete man sein Holz für Pfeil und Bogen, später für Armbrüste. In den feuchten Schluchtwäldern der Weltenburger Enge gedeihen Mondviolen und der glattrandige Hirschzungenfarn. Diese Arten befinden sich auf der Roten Liste und stehen unter Schutz. Die letzte ihrer Art ist die winzige Donau-Kahnschnecke. Sie kommt nur noch an wenigen Standorten im Donaudurchbruch vor.
Weltenburger Enge – Holzfäller und Baumeister
Bei der Felsgruppe »Peter und Paul« liegt Totholz im Wasser. Schleifspuren am Ufer verraten Biber. Die nachtaktiven Tiere transportieren frische Zweige zum Wasser. Sie dienen als Baumaterial für die Biberburg und als Vorrat für den Winter. Die grünen Triebe bleiben unter Wasser frisch. Ein eigenes Revier muss der junge Biber im Alter von zwei Jahren finden. Das ist nicht einfach, denn die meisten Reviere sind besetzt. Oft kommt es zu brutalen Rangkämpfen mit schweren Verletzungen
Franziska: »Wenn der Biber Bäume anknabbert, die umstürzen können, müssen wir aufpassen, dass niemand gefährdet wird. Mit seinen nachwachsenden Schneidezähnen, die wie Beißzangen funktionieren, fällt der Biber auch dicke Baumstämme.«
Fotoimpressionen der Weltenburger Enge
Ein Meteorit hinterließ in der Weltenburger Enge seine Spuren
Bald sehen wir das Amphitheater der Wipfelsfurt. Ein Meteoriteneinschlag vor 15 Millionen Jahren hat bis heute seine Spuren hinterlassen. Hier stehen die höchsten Eschen Süddeutschlands. Kerzengerade Stämme recken sich über 50 Meter in die Höhe.
Unser Schiff manövriert durch die Kurven im Donaudurchbruch. Hier ragen links und rechts der Donau senkrechte Felswände in die Höhe. Der Fluss ist hier in der Weltenburger Enge nur 80 Meter breit. An der gefährlichsten Stelle, der langen Wand, befinden sich Eisenringe. Sie dienten früher dazu, Kähne mit langen Fischerhaken flussaufwärts zu ziehen. In einer Felsnische steht der heilige St. Nepomuk, Schutzpatron der Schifffahrt, mit segnender Hand.
Am gegenüberliegenden Ufer entdecken wir Kormorane. Gruppenweise sitzen die Vögel mit ausgebreiteten Flügeln auf kahlem Geäst. Vom ätzenden Kot ist der Baum abgestorben. Da sich das Klima bei uns erwärmt, bleiben Kormorane zur Überwinterung hier. Allmählich kommen wir aus der Weltenburger Enge heraus. Bald gelangen wir zur Schiffsanlegestelle am Kloster Weltenburg.

Religion, Bier und Barock im Kloster Weltenburg
Wie die anderen Gäste suchen wir den gemütlichen Biergarten des Klosters auf. Unter alten Kastanienbäumen genießen wir die warme Herbstsonne.
Den Rückweg treten wir mit Lorenz Donauer´s Zille an. In diesem Kahn lassen wir uns mit der Strömung durch die Weltenburger Enge treiben. Die Felsen am Fluss haben Namen und heißen Räuberfelsen, Römerfelsen, Bienenkorb, Peter und Paul, Bayerischer Löwe, Drei feindliche Brüder, Eidechsenwand oder Napoleons Reisekoffer. An der Wipfelsfurt steigen wir aus und wandern den Uferweg zurück.
Magerrasen und Felsenbiotope
Franziska: »Die Küchenschelle braucht offene Kalkmagerrasen. Die gelbblühende Aurikel liebt steile Felsen und der wärmeliebende Diptam entwickelt sich am besten am geschützten Waldsaum. Die rosafarbenen Blütenstände des Diptam werden bis zu einem Meter hoch. Die ätherischen Öle sind meterweit zu riechen, sie duften nach Vanille und Zitronenaroma. Bei Hitze platzt die reife Samenkapsel auf und die Samenkörner werden weggeschleudert.
Wenn spezielle Pflanzengesellschaften in der Weltenburger Enge zu kurz kommen, müssen wir beherzt eingreifen und der Natur als Landschaftspfleger nachhelfen. Kalkmagerrasen auf den Felskuppen bieten empfindliche Lebensräume. Damit wir sie nicht verlieren, müssen diese Gebiete von der Beschattung, von zu großen Bäumen und Büschen freigestellt werden. Dazwischen bleiben ein paar Solitärbäume wie Wildrosen, Eiben und Mehlbeere stehen. Aus dem Wald ragen Felsen mit Bruthöhlen für Gänsesäger und Uhu. Horstplätze des Wanderfalken sollen für diese Vögel frei zugänglich bleiben. Während der Brutzeit passen wir auf, dass keine Störungen durch Besucher vorkommen.«
Biotoppflege lohnt sich
Wenn alles gut geht bekommen Wanderfalken und Uhus in der Weltenburger Enge jedes Jahr Nachwuchs. Letztere sind mit bis zu 160 Zentimeter Flügelspannweite die größten Eulen in Europa. Im Donaudurchbruch ziehen Uhus jedes Jahr mehrere Nachkommen auf. Innerhalb von vier Wochen wachsen »Nestlinge« bis zu 50 Zentimeter Größe heran. Nach weiteren vier Wochen verlassen sie ihre Bruthöhle, dann nennt man den Nachwuchs »Ästlinge«. Mit ihrem Daunenkleid sehen sie aus wie überdimensionale Wollknäuel. Bald krächzen sie nach mehr Futter und üben tollpatschig das Fliegen. Bei Nacht orten Uhus ihre Beutetiere mit dem Gehör. Ihr lautloser Flug erleichtert den Überraschungsangriff. Zur nächtlichen Jagd brauchen die Großeulen freie Flächen. Ein Uhu kann über 30 Jahre alt werden.
Jagdprüfung der jungen Wanderfalken
Die Gebietsbetreuerin Franziska Jäger ist oft draußen, sie kennt jeden Winkel und weiß genau, wo sie ihre Schützlinge findet. Einmal beobachtete Franziska den Jagdflug des Wanderfalken. Plötzlich ein Fluggeräusch, Spannung liegt in der Luft, Federn stieben auseinander. Vor ihrem Auge stürzte sich ein Wanderfalke auf eine fliegende Taube.
Wanderfalkeneltern bringen ihren flügge gewordenen Nachkommen früh das Jagen bei. Dabei benützt der Wanderfalke einen Vogel und lässt ihn im Flug bewusst fallen. Die Jungfalken versuchen, den herabfallenden Vogel in der Luft zu schnappen. Mit spektakulären Flugmanövern zeigt der Altvogel seinen Nachkommen wie man Beute schlägt. Ein eindrucksvolles Naturschauspiel für den Beobachter.
»Im Sturzflug schaffen Wanderfalken 300 km/h. Dies ist im Tierreich ein Geschwindigkeitsrekord. Damit sie bei dieser Hochgeschwindigkeit noch atmen können, haben sie einen speziellen Stift in der Nase, der für den Druckausgleich sorgt«, erklärt Franziska.
Geotop und Naturschutzgebiet
Das Gebiet der Weltenburger Enge zählt zu den sehenswertesten Geotopen in Bayern. König Ludwig I. gab bereits 1840 die Anweisung: »Zum Schutz der romantischen Felspartien an der Donau sollen die Steinbrüche für den Abbau von Kalkstein für Staatsbauten eingestellt werden«. Seit 1938 ist die Weltenburger Enge offiziell als Naturschutzgebiet ausgewiesen.
Wegen der biologischen Wertigkeit hat die Weltenburger Enge 1978 als einziges Naturschutzgebiet Bayerns das Europadiploms erhalten. Diese Auszeichnung wird jeweils um fünf Jahre verlängert, wenn die vorgegebenen Kriterien weiter eingehalten werden.
Aufgabe der Gebietsbetreuer
Gebietsbetreuer achten in der Weltenburger Enge darauf, dass natürliche Lebensräume erhalten bleiben. Jährlich kommen über 500 000 Gäste zur Weltenburger Enge. Darunter viele Wanderer, Biker, Kletterer, Wassersportler und Kanufahrer, die ebenfalls Naturgenuss suchen. Das Naturschutzgebiet hat jedoch Priorität. Durch sanfte Besucherlenkung, Rücksichtnahme und ein verständnisvolles Miteinander lassen sich Konflikte vermeiden. Gebietsbetreuer vermitteln zwischen verschiedenen Positionen.
Franziska: »Wir erstellen Kartenmaterial und übernehmen Öffentlichkeitsarbeit für den Naturschutz. Wir machen Landschaftspflege, beobachten und dokumentieren Tier- und Pflanzenarten in ihrem Lebensraum«.

Franziskas Tipps:
Die Natur im Donaudurchbruch der Weltenburger Enge erleben
Franziska meint: »Ein Trend zu mehr Ruhe und Achtsamkeit ist deutlich spürbar. Die Menschen sehnen sich nach Natur und zeigen sich aufgeschlossen. Kinder sind mit spannenden Tiergeschichten zu begeistern. Der Duft einer Blüte macht ihnen Freude. Bei Gästeführungen zeigen wir Naturschätze und klären auf. Nebenbei sorgen wir dafür, dass der Gast Erlebnisse mitnimmt und dadurch eine Bindung zur Region entsteht. Wir bieten das Jahr über Erlebnisführungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten an.«
Geheimnisse der Natur
Wenn Schnecken Baumstämme hochklettern, weiß man, dass eine zweite Hochwasserwelle kommt. Manche Weisheit der Alten ging verloren. Wann kommt welcher Vogel aus Afrika zurück. Wann und warum blüht ein Baum, mal früher im Jahr oder gar nicht? Warum verstecken Eichhörnchen ihre Nüsse? Wie findet der Eichelhäher unterm Schnee seine Vorratslager? Tiere sind hochsensible Lebewesen mit feinen Sensoren und Instinkten. Wenn man ihre Zeichen deuten kann, können Tiere und Pflanzen für den Mensch ein Frühwarnsystem sein.
Weltenbuger Enge – Faszination der blauen Stunde
Die Natur im mystischen Dämmerlicht erfahren. Dem Ruf von Uhus und Waldkauz folgen. Eine Fledermausführung in der Nacht und mit dem BAT-Detektor Fledermäuse aufspüren. In der Region leben zehn verschiedene Fledermausarten: der Abendsegler, die Bechsteinfledermaus, die Wasserfledermaus… Man kann Fledermäuse dabei beobachten, wie sie im Flug Wasser trinken und ihre nächtlichen Flugkunststücke vorführen. Wusstest Du, dass es Fledermauskindergärten gibt? 600 aufgehängte Fledermausnistkästen im Wald helfen die Fledermauspopulation zu erhalten.
»Die Seele baumeln lassen«
Nichts wissen müssen. Einmal wandern ohne Lehrauftrag. Glühwürmchen beobachten, den Donauwellen lauschen, barfuß Kies und Steine spüren. Bei Nacht die Ohren spitzen und dem Uhu lauschen. Erinnerst du dich noch an den melodischen Klang der Amsel oder einer Nachtigall? Betörende Duftwolken vom Diptam riechen. Sinnliche Erlebnisse prägen sich für lange Zeit ein.
Mein Wandertipp – Donau-Panoramaweg:
Immer dem Fluss entlang von Neustadt-Donau bis Passau. In zehn Etappen 220 Kilometer weit wandern. Durch abwechslungsreiche Landschaften, charmante Städtchen: Kelheim, Regensburg, Straubing, Deggendorf, Vilshofen und Passau. Dabei kann der Wanderer zwischendurch eine Fähre, eine Zille im Donaudurchbruch oder ein Donauschiff zur Abkürzung benützen.

Hallo Andreas,
diese Fotos hab ich neulich an einem dieser unsäglichen Hochsommertage entdeckt. – Glaubst du es: Allein nur darauf zu schauen, hat den Tag gefühlt um sieben Grad abgekühlt. Es hätte nicht besser sein können.
Wunderbare Stimmungen hast du da wieder einmal eingefangen.
Viele Grüße, Nadine
Hallo Nadine,
danke für Deinen Kommentar. Freue mich, wenn Dir die Bilder gefallen. Noch besser ist eine Wanderung oder eine Schifffahrt durch dieses Naturschutzgebiet mit Europadiplom. Die Weltenburger Enge ist faszinierend, besonders im Herbst wenn nicht mehr soviel Gäste unterwegs sind. Es gibt bei uns soviel schöne Ecken da bin ich immer wieder erstaunt. Viele Grüße Andreas
Andreas Riedmillers Bilder dieser farbenprächtigen Landschaft und “ihrer” Menschen, Tiere und Pflanzen verzaubern und beeindrucken gleichermaßen.
Danke Andrea für deine Zeilen. Ich freue, wenn dir dieser Blogbeitrag gefällt.