Hoch hinaus! Das Ulmer Münster ist der höchste Kirchturm der Welt. Im Jahr 1377 haben Ulmer Bürger mit dem Baumeister Heinrich II. Parler, den Bau des Ulmer Münsters begonnen. Erst im Jahre 1890 wurde die Kirche mit dem höchsten Kirchturm der Welt (162 m) und zwei mächtigen Chortürmen (86 m) fertig gestellt. 513 Jahre lang wurden Stein auf Stein hinter- und übereinander gestapelt. Ein ganzes Gebirge aus Sandstein, bestehend aus Balustraden, Fialen, Gesimsen, Kreuzblumen, Strebebögen, Baldachinen, Türmen und Türmchen ist entstanden. Die Ulmer haben für diesen gigantischen Bau des Ulmer Münster bezahlt und gespendet. Um dieses spätgotische Kulturdenkmal zu erhalten, ist fortwährende Restaurierung notwendig und eine andauernde Aufgabe. Am Bauzaun der südlichen Türme sind Plakate von Firmen und viele tausend Namen von Ulmer Bürgern angebracht, die für die Restauration „ihres“ Münsters spendeten.
Das Einhorn hat am Ulmer Münster seinen festen Platz
Steinmetz Azubine Dorothe Hager bearbeitet mit dem Pressluftmeißel den Kopf eines Einhorns. Diese Figur ist eine von vielen Wasserspeiern, die rund um das Ulmer Münster angebracht sind. Dorothe führt uns über steile Wendeltreppen, geheime Gänge und durch verschlossene Hintertüren bis in den Dachstuhl hinauf. Sie bringt uns weiter zu den beiden Südtürmen. Über einen schmalen Gang, hoch über dem Seitenschiff des Ulmer Münster kommen wir an die ausgesetzte Stelle, wo der Kopf des Einhorns seinen angestammten Platz hat. „So ein Arbeitsplatz über den Dächern von Ulm ist außergewöhnlich“, sagt Dorothe stolz.
Wasserspeier halten das Böse vom Ulmer Münster fern
Rund um das Ulmer Münster sind 145 Wasserspeier angebracht. Nach mittelalterlichem Volksglauben halten diese magischen Figuren das Böse vom Gebäude fern. Wer um dasUlmer Münster geht und nach oben seht kann die mystischen Wasserspeier entdecken. Ein Elefantenschädel, ein Fischkopf, Drachenfiguren, Mischwesen, Fledermäuse und viele andere mystische Figuren leiten durch ihre Mäuler das Regenwasser vom Ulmer Münster ab. Die Steinmetzte der Münster Bauhütte erneuern die verwitternden Wasserspeicher am Gebäude.
Blick ins Innere des Ulmer Münster
Am schönsten ist es hier am frühen Vormittag, wenn noch wenig Besucher da sind. Dann kann man die spirituelle Atmosphäre in der Hallenkirche am besten spüren. Sonnenstrahlen projektieren durch Glasfenster flimmerndes Licht auf die Säulen im Innern. Wertvolle Kunstschätze, wie das Chorgestühl mit den interessanten, holzgeschnitzten Figuren zu beiden Seiten des Altarraums sind im Ulmer Münster zu besichtigen. Das Relief des ersten Baumeisters Heinrich II. Parler befindet sich rechts an einer Säule, der Taufstein, die Kanzel und die große Orgel ziehen den Blick auf sich. Das Original vom Ulmer Spatz ist in einer Glasvitrine im Ulmer Münster.
Fotoimpressionen vom Ulmer Münster













Der Zahn der Zeit nagt unablässig am Ulmer Münster
Natürliche Verwitterungsschäden sind nicht das Schlimmste am Ulmer Münster. Sandstein erodiert, verwittert und bröckelt langsam ab. Luftverschmutzung mit Schwefeldioxid (SO) und Stickoxiden schaden dem weichen Sandstein viel stärker. Von oben ist es gut zu sehen. Die Mischung aus Luftschadstoffen wird als saurer Regen bezeichnet. Trifft saurer Regen auf Sandstein, so kommt es zu chemischen Reaktionen. Kalk wird oberflächlich in Gips umgewandelt. Die oberflächlichen Gipsplatten bilden feste Schichten, die eine Trocknung des Steins behindern. Hitze im Sommer und Frost im Winter setzen dem Gestein zu. Platten splittern ab und zermürben die filigran gemeißelten Steinstrukturen am Ulmer Münster ab. Dazu kommen biologische Faktoren. Algen, Moose und Flechten siedeln sich im feuchten Substrat des Sandsteins an. Der Stein bleibt dauerhaft durchfeuchtet und die Verwitterung schreitet noch schneller voran.
Deshalb wird das Ulmer Münster von Fachleuten wie ein Komapatient mit Messgeräten überwacht. Temperatur, Niederschlag und Schadstoffeintrag aus der Luft werden kontrolliert. Es wird untersucht, welche Folgen dies für die Bausubstanz des Ulmer Münster hat und mit welchen Maßnahmen die Restauration erfolgen kann.
Austausch beschädigter Bausubstanz am Ulmer Münster
Absturzgefährdete Bauteile werden gesichert. Tonnenschwere Bauteile werden mit Spezialsägen heraus geschnitten und nach unten abtransportiert. Die neuen Ersatzbauteile werden wie in einem Puzzle in die Lücken eingefügt. Kleine Ungenauigkeiten können schwere Folgen haben. Münsterbaumeister Michael Hilbert erzählt, dass im Laufe der vergangenen hundert Jahre fast 50 Prozent der Gesteinsmasse des Ulmer Münster ausgetauscht wurden. Für Restauration und Erhalt dieses Kulturdenkmals sind sechzehn Mitarbeiter, Steinmetze und Fachleute der Münsterbauhütte beschäftigt.
Dombauhütte des Ulmer Münster























Turmbesteigung
Nach einer Runde in der Hallenkirche steige ich auf den Turm des Ulmer Münster. Es dauert 20 Minuten, den Höhenunterschied von 140 Metern zu überwinden. Über 763 Stufen in enger Wendeltreppe steige ich nach oben. Auf der Aussichtsebene von 141 Metern über Grund habe ich einen phantastischen Ausblick über die Dächer der Stadt Ulm und Neu- Ulm. Bei Föhn oder Schönwetter reicht der Panoramablick vom Ulmer Münster bis zu den ersten Vorbergen der Alpen. Die 100 Kilometer entfernten Allgäuer Alpen und sogar die Zugspitze sind zum Greifen nahe. Eine großartige Belohnung für den Aufstieg!
Tipp:
Die Restauration einer Figur am Ulmer Münster braucht bis zu 250 Stunden Arbeit. Die Kosten hierfür betragen rund 5000 Euro. Wer Pate für einen Höllenhund oder für eine Drachenfigur am Ulmer Münster sein möchte, kann sich an die Dombauhütte wenden und die Restauration unterstützen.

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Vielen Dank für die Fotoerlaubnis der Innenaufnahmen im Ulmer Münster, sowie den Mitarbeitern der Münsterbauhütte.
Lieber Andreas,
sehr berührend finde ich Dein Münsterportait. Die Szene mit den beiden Besuchern als Silhouette oder die Arbeiten in der Bauhütte, sowie die erhebenden Ausblick aus der Turmspitze… Es ist mir eine Große Ehre Dich zu kennen. So, jetzt ist aber genug sonst hör ich garnimmer auf….
Liebe Grüße Antje aus Hohenlohe
Liebe Antje,
das Ulmer Münster muss man besuchen. Nur wer selbst die große Hallenkirche besucht oder auf den Turm steigt, kann spüren, welche Dimensionen dieses Gotteshaus hat. Das Ulmer Münster ist kein UNESO Welterbe geworden, dies finde ich schade. Die Bürger von Ulm müssen hohe Geldspenden aufbringen um das Gebäude zu erhalten. Das Münster ist mitten in der Stadt und den Bürgern nahe.
Danke dir für den Kommentar und sonnige Grüße aus dem Allgäu Andreas