Die Streuobstwiese im Biosphärenreservat der Schwäbischen Alb ist ein Paradies. Mit satten Farben kommt der Herbst als Schwäbischer Indian Summer! Spektakulär ist dieser Oktober! Die Farben der Äpfel leuchten gelb und rot. Früchte biegen Zweige bis zum Boden. Es duftet nach reifem Obst, nach feuchtem Holz, Pilzen. Die Streuobstwiese ist ein Naturerlebnis. Es ist erholsam durch eine herbstlich gefärbte Streuobstwiese zu schlendern.
Entstanden sind sie in früher Zeit aus Not. Weitsichtige Lehensherren der Albregion erkannten den Wert von Obstbäumen zur Selbstversorgung. Sie haben ihren Untertanen befohlen, Obstbäume zu pflanzen. Wenn geheiratet oder ein Kind geboren wurde, musste ein Obstbaum gepflanzt werden. Wer seine Obstbäume nicht pflegte, wurde wegen Baumfrevels bestraft.
Im Biosphärenreservat der Schwäbischen Alb wachsen zwei Millionen Obstbäume. Sie bilden einen breiten Gürtel zwischen den Dörfern und der umliegenden Hügellandschaft. Lange Zeit blieb der Schatz der Streuobstwiese unbeachtet. Es gab bis 1955 sogar „Rodungsprämien“ für alte Bäume. Die Streuobstwiese galt als unrentabel und altmodisch.
Artenvielfalt der Streuobstwiese
Die Artenvielfalt von Streuobstwiesen im Biosphärenreservat der Schwäbischen Alb ist enorm. Jede intakte Streuobstwiese ist wie eine Insel. Wie eine kleine „Arche Noah“ in flurbereinigter Agrarlandschaft.
Vögel und Säugetiere fressen sich satt, um gut über den Winter zu kommen. Jetzt gibt es Nahrung im Überfluss. Die Streuobstwiese ist ein Paradies für Mensch und Tier. Kleinsäuger wie Mäuse, Haselmaus und Siebschläfer finden reich gedeckten Tisch. Der Waldkauz, Spechte und Fledermäuse wohnen in Baumlöchern. Roter Milan und Bussarde beobachten fliegend ihr Revier.
Wendehals und Baumläufer sitzen mit ihrem getarnten Federkleid fast unsichtbar auf der Baumrinde. Nach winzigen Insekten suchend klettert der Kleiber kopfunter am Birnenstamm. Daneben leben hier der seltene Grauspecht, der Grün- und Buntspecht, das Rotkehlchen, Braunkehlchen, die Schwanzmeise, der Stieglitz, die Gartengrasmücke und der Zilpzalp. Bei Nacht jagen Eulen und Fledermäuse im Zickzack durch die Baumkronen der Streuobstwiese. Am Boden lauern Wiesel, Fuchs und Dachs auf Beute.
Schmetterlinge, wie der Apfelbaumglasflügler, der Schlehenzipfelfalter, der Baumweißling und der Rote Fuchs taumeln von Blüte zu Blüte. Der Grünrüssler und der Augenfleckbockkäfer bohren sich ins Totholz. Der Marienkäfer turnt lieber auf offenen Margeritenblüten.
Neben der Hausbiene sind Wildbienenarten, Wespen und Schwebfliegen wichtige Bestäuber für die Baumblüte der Streuobstwiese. Hummeln und Wildbienen bestäuben die Baumblüten auch bei längerem Regenwetter zuverlässig, während Hausbienen dann lieber im Bienenstock bleiben.

Fotoimpressionen aus der Streuobstwiese













Erlesene Produkte aus alten Obstsorten der Streuobstwiese
„Die Champagner Bratbirne hat hohe Ansprüche. Sie ist eine Diva, die nicht überall wachsen will. Deswegen pflanzten Obstbauern nur wenige Bäume dieser Sorte. Roh ist diese Birne wegen des hohen Gerbstoffanteils ungenießbar. Die Frucht schmeckt auf der Zunge räs und adstringierend. Sie eignet sich aber gut zur Vergärung. Mit der Champagner Bratbirne mache ich meine besten Schaumweine. Es gibt fünf Cuveès“ sagt Jörg Geiger.
Er hebt eine vergorene Birne vom Boden auf, klappt die weiche Frucht mit den Fingerspitzen auseinander und schnuppert hinein. „Das ist ein tolles Aroma. Alte Bäume der Schwäbischen Streuobstwiese haben hohes Potential. Die Altersstruktur ist entscheidend für die Qualität. Mostbirnen haben ihr bestes Aroma nach 30-40 Jahren, manche Sorten liefern ihr bestes Aroma mit 120 bis 200 Jahren“, sagt er.
650 Bauern der Umgebung liefern jeden Herbst frisch geerntetes Obst aus der Streuobstwiese an die Manufaktur Geiger in Schlat. Die Champagner Bratbirne ist der „Star“ unter den alten Obstsorten. Dafür zahlt Jörg Geiger seinen Bauern Höchstpreise. Für sortenreine Ernte gibt es bis zu 70 Euro pro 100 Kilo.
1997 brachte er seinen ersten Schaumwein auf den Markt, der als Birnen Champagner etikettiert war. Prompt kam es zum Prozess um Namens –und Markenrechte mit den Champagnererzeugern der Champagne. Jörg Geiger musste seinen „Birnen Champagner“ anders kennzeichnen. Jetzt heißt dieses Getränk eben „Birnenschaumwein aus der Obstsorte Champagner Bratbirne“. Die Publicity aus dem Prozess hat der Manufaktur Geiger nicht geschadet. Viele Medien berichteten darüber und das Produkt fand seinen Weg zum Liebhaber.
In den Regalen im Verkaufsladen stehen Essenzen der umliegenden Streuobstwiese. Schaumweine, Seccos und PriSeccos, Apfelweincocktails, Apfelcidre, sortenreine Obstweine, Portwein aus Kirsche, edle Branntwein-Destillate, rund fünfzig innovative Produkte aus Streuobst. Hier kann man sogar Äpfel mit Birnen vergleichen. Alles sind Raritäten aus längst vergessenen Obstsorten, die aus der Streuobstwiese der Umgebung stammen.
Jörg hat eine innige Beziehung zu seiner Streuobstwiese. Er schenkt uns ein Probiergläschen nach dem anderen ein und schwärmt von Aromen längst vergessener Sorten. Sie heißen Hauxapfel, Gelbmöstler, Wildling von Einsiedeln, Rheinischer Bohnapfel, Grüne Jagdbirne, Bittenfelder Sämling Gewürzluike oder Stuttgarter Goyshirtle. Er kennt sie alle. Er kennt ihre Eigenarten, ihre Wachstumsbedürfnisse und Macken. Er weiß, auf welchem Boden sie stehen müssen, auf welcher Veredlungsunterlage sie den besten Ertrag bringen. Er kennt Inhaltsstoffe und Lagerfähigkeit der Früchte. Und er weiß, wie die Früchte nachbehandelt werden müssen, damit sie ihr volles Aroma entfalten.
Prickelnde Getränke für junge Leute
„Der Trend geht weg vom reinen Destillat. Junge Leute lieben frische, prickelnde Getränke ohne Alkohol. Für Kinder, Schwangere oder trockene Alkoholiker ist das ideal. Auch für Gastgeber hat es Vorteile, wenn Gäste nicht gleich beschwipst sind“, sagt Jörg.
Die gekelterten Fruchtsäfte sind Basis für neue Getränkekompositionen. Der Apfel liefert hauptsächlich Säurenoten, die Birne beinhaltet besonders viele Gerbstoffe. Zuerst destilliert er Aromastoffe heraus, danach den Alkoholanteil. Mit diesen beiden Grundstoffen und dem Zusatz von natürlichen Aromen experimentiert Jörg Geiger für seine prickelnden Getränke, Seccos und Cidres.
Die Natur liefert die Aromen
Für Jörg bietet die Natur unendlich viele Aromen. Er sammelt die Rohstoffe, wenn sie im optimalen Zustand sind und friert sie ein. Als gelernter Koch hat Jörg Geschmacksnerven und sensorische Fähigkeiten trainiert. Er sucht nach eigenständigen Produkten mit Profil. Sie sollen ein außergewöhnliches, neues Geschmackserlebnis bieten. Darum experimentiert er mit Auszügen von Holunderblüte, Bergbohnenkraut, Schokominze, Mädesüß oder Salbei… Neben frischen Kräutern und Blüten verwendet Jörg Geiger rund 120 getrocknete Gewürze.
Sein Renner ist „Rosenzauber“. Diese Komposition besteht aus einer Grundlage mit Boskop, mit Auszügen von Rosenblüten und Minze. Sein „Frühlingstraum“ beinhaltet Boskopapfel, Erdbeeraroma, Waldmeister und Holunderblüte.
Mein Favorit ist ein Cuveè aus Gelbmöstlerbirne, Zitronenmelisse, Minzen, mit Stachelbeere und Douglasienspitzen. Das Getränk ist unvergleichlich, es duftet nach Wald, schmeckt leicht harzig und prickelt auf der Zunge. Es gibt auch ganz gewagte Zusammenstellungen mit Kaffeearomen, Rote Beete, Anis, Selleriegeschmack oder Petersilie, bis hin zu Brennesselauszügen, Rhabarber, oder mit Dillspitzen. Naturaromen bieten reizvolle Kombinationen, die im Gaumen eine Geschmacksexplosion erzeugen. „Ein besonderes Geschmackserlebnis bleibt für immer in Erinnerung“, meint Jörg.
Der berühmte Pommologe Eduard Lucas meint:
„Der Wein mit seinem Feuer,
belebt wohl jedes Menschen Brust.
Der Obstwein ist dem Landmann wert und teuer,
das schafft zur Arbeit Lust“.
„Die Manufaktur Jörg Geiger hat sich zum Ziel gesetzt, langfristig und nachhaltig durch die hochwertige Verarbeitung den Erzeugern Wertschätzung zur Erhaltung der Streuobstwiese zu geben“. Landwirte bekommen gute Preise für Obst aus der Streuobstwiese. Damit ist Interesse da, sie zu bewirtschaften. Die Produkte der Manufaktur Geiger bekommen regelmäßig Auszeichnungen und Preise.








Vielfalt der Streuobstwiese






Alte Apfelsorten im Schwäbischen Streuobstparadies




Von der Hand zum Verstand
Die Bäume der Streuobstweise vergreisen ohne Pflege und winterlichen Baumschnitt. Der Baum braucht viel Licht und Luft. Die Leitäste sollen symmetrisch ausgerichtet sein, damit sie stabil genug sind. Erst dann bilden sich ausreichend Blütenknospen und jährlich viele Früchte.
Birnbäume werden bis zu zwölf Meter hoch. Ihre Wurzeln reichen 12 Meter in den steinigen Boden der Schwäbischen Alb. Hier finden die Baumwurzeln Mineralien für Aromabildung und Wachstum der Früchte. Bis zu 10 Zentner kann ein hundertjähriger Birnbaum liefern.
Lernen fürs Leben. Schulkinder bewirtschaften ab kommendem Schuljahr gemeinsam mit Streuobst-Pädagogen eine Streuobstwiese. Spielerisch übernehmen sie Verantwortung für ein Stück Natur. In praktischem Projektunterricht lernen Kinder ökologische Zusammenhänge der Natur. Sie lernen und verstehen welche Arbeiten verrichtet werden, damit Obstbäume Früchte tragen. Sie lernen dabei nicht nur wie man die Streuobstwiese bewirtschaftet, sondern auch wie Natur und Umwelt funktionieren. Sichtbare Erfolgserlebnisse haben sie bei Naturbeobachtungen und bei der Ernte einer Streuobstwiese im Herbst.
Meine Tipps:
- Schwäbisches Hanami in der Streuobstwiese. Die japanische Tradition der Kirschblütenfeste findet auch im Schwäbischen immer mehr Anhänger . Zur Kirschblüte in das Biosphärenreservat Schwäbische Alb reisen.
- Eine Verkostung in der Manufaktur Jörg Geiger oder eine I-Pad-Tour durch das Vogelschutzgebiet der Streuobstwiese machen.
- Familienausflug zur Ernte. Obstbäume der Streuobstwiese abernten, zur Mosterei vor Ort fahren, den fertigen Apfelsaft im Kofferraum mitnehmen. Der erhitzte Apfelsaft hält das ganze Jahr. Kinder haben bestimmt ihre Freude daran. Die Streuobstbörse der Schwäbischen Alb bringt Streuobstbesitzer und Interessenten für Erntebäume zusammen.
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Hallo Andreas,
was für bezaubernde Fotos. So ruhig, so unaufgeregt und so großartig. Die Streuobstwiesen auf der Alb habe ich letztes Jahr bei einem Termin in Stuttgart empfohlen bekommen. Es war kurz vor Weihnachten und wir sind kurz bei Weilheim von der Autobahn abgefahren. Das Laub rottete natürlich schon längst nass auf dem Boden vor sich hin. Aber selbst von den wenigen Äpfeln, die noch auf den kahlen Bäumen waren, ging ein großer Zauber aus. – Streuobstwiesen sind eben Balsam für die Augen.
Nicht zuletzt dank deiner Bilder hab ich mir einen Besuch der Alb in diesem Herbst fest vorgenommen.
Es ist wirklich immer wieder toll – im Sinne von: erholsam, auf deinem Blog ein wenig Zeit zu verbringen!
Viele Grüße aus München, Nadine
Hallo Nadine,
vielen Dank für Deinen Kommentar. Ich freu mich, wenn Du meine Blogs gerne liest. Bei den schwäbischen Streuobstwiesen gibt es zwei Höhepunkte. Die Blütezeit im Frühling ist berauschend und der Herbst, wenn die Früchte reifen ebenfalls. Auch der Winter hat fotografische Reize. Der Winter in einer Streuobstwiese steht noch auf meiner Wunschliste. Eine Wanderung durch die Streuobstwiesen regt wirklich alle Sinne an. Nicht versäumen darfst du eine Einkehr in einem Gasthaus mit erlesenen Speisen oder den Besuch einer Brennerei. Mein Tipp ist die Schaubrennerei Straßer in Dettingen/Erms. Da bekommest du noch einen ganz anderen Blickwinkel auf die Streuobstwiesen. Bitte empfehle mich weiter. Gruß Andreas
Bravo. Selten so beeindruckende und schlicht wunderschönen Fotos gesehen. Man atmet beim Betrachten förmlich den Geruch der Natur. Klasse! Grüße aus Hessen. Elvis Benner.
Vielen Dank für Ihren Kommentar und für das nette, ehrliche Kompliment. Es hat mich gefreut. Streuobstwiesen begeistern mich immer wieder. Neulich besuchte ich Neidligen im Biosphärenreservat der Schwäbischen Alb. Auch dort gibt es fantastische Streuobstwiesen, hauptsächlich mit Süßkirschen, Mirabellen und Zwetschgenbäumen. Der Erhalt solcher Biotope und Kulturlandschaften ist äußerst wichtig für die Artenvielfalt und auch für touristische Entwicklung einer Region. Es sollten viel mehr Streuobstwiesen neu angelegt werden. Eine gut strukturierte Kulturlandschaft, mit Wiesen, Wäldern, freien Auen, Gewässer und Streuobstwiesen ist einfach viel interessanter für Mensch und Tier, als eintönige Agrarlandschaften. Wenn wir unsere Umgebung schön gestalten, dann brauchen wir im Urlaub nicht soweit weg fahren.
Demnächst kommt ein neuer Blog zum Thema Streuobstwiesen im Frühling fotografiert in Neidlingen. Bitte empfehle mich weiter. Viele Grüße Andreas
lieber Andreas,
ganz toll deine Streuobstwiesenfotos mit Text dazu, einfach zum Reinbeissen. Sehr einfühlsame Fotos die Du da gezaubert hast, bei dieser Adventszeit und bei dieser Wärme “wumbaba” (wunderbar) – in Hamburg blüht ein Kirschbaum erzählte heute eine Familie.
Liebe Elisabet,
danke für Deinen Kommentar. Ich war selbst überrascht wie schön die Streuobstwiesen im “Schwabenländle” sind. Da gibts nicht nur kleine Bauerngärten mit Obstbäumen wie bei uns, sondern gleich zwei Millionen. Die Obstbauern dort haben sich zu einem Verein zusammengeschlossen, um die Streuobstwiesenkultur zu beleben. Die Fotos machte ich im Oktober. Andreas