Auf einer Pilgerwanderung durch das »Heilige Land Pfaffenwinkel« besuchen wir Kloster Wessobrunn. Es liegt eingebettet im Voralpenland zwischen Auen, Wiesen und Wäldern.
Die Unternehmerin Martina Gebhardt kaufte 2014 das Kloster Wessobrunn, um darin eine Naturkosmetikfirma einzurichten. Durch die Umnutzung zieht neues Leben in die alten Gemäuer und es besteht Hoffnung, dass die historischen Bauwerke erhalten bleiben. Wie es dazu kam, dass in diesem bayerischen Kulturgut eine Kosmetikfirma ihre Produktion aufgenommen hat, erklärt uns Martina Gebhardt bei einer Führung durch die Räume des Klosters.

Legende von Kloster Wessobrunn
Einer Erzählung nach übernachtete der bayerische Herzog Tassilo III. nahe Wessobrunn unter einer Linde. Im Traum sah er eine Quelle, deren Wasser in drei Richtungen abfloss. In der Mitte stand ein Kreuz. Von dieser Stelle aus führte eine Leiter zum Himmel und Engel stiegen hernieder. Sein Jagdgehilfe Wezzo fand eine Quelle. Dies war für Tassilo ein göttliches Zeichen, bei den »Brunnen des Wezzo« ein Kloster zu gründen.
Die Linde, unter der Tassilo III. angeblich seine Nachtruhe fand, steht an der alten Klostermauer und ist heute ein Naturdenkmal. Die Quelle mit reinem Trinkwasser befindet sich am Brunnenhaus hinter der Klosterkirche.
Fotoimpressionen von Kloster Wessobrunn
Geschichtsträchtiges Kloster Wessobrunn
Berühmt wurde das Kloster Wessobrunn durch die Stuckateure und mit dem »Wessobrunner Gebet«. Als ältestes deutschsprachiges Schriftstück mit christlichem Inhalt gilt es als Sprachdenkmal. Das Original ist schwer verständlich, deswegen wurde die Handschrift neu geschrieben. Auf einem Findling vor dem Gasthof Post ist der Text zum Nachlesen angebracht.
Das Kloster Wessobrunn war wie viele andere Klöster ein Ort der Wissenschaft und Kultur. Es gab eine Bibliothek mit Tausenden von Bänden aus Pergament. Damit das Kloster seine Schriften aus Wissenschaft und Religion selbst verbreiten konnte, befand sich in Wessobrunn eine der ersten Buchdruckereien mit Stempeldruck.
Mystikerin und Nonne »Diemut von Wessobrunn«
Die Nonne »Diemut von Wessobrunn« wurde aufgrund ihrer Schrift und Illustrationen berühmt. Durch ihre Frömmigkeit hatte sie das Recht, ein Leben als Inklusin zu führen. (Inklusen sind fromme Männer oder Frauen, die sich in eine Klause an Kirchen, Stadtmauern oder Brücken einmauern ließen. Durch das Eingeschlossensein suchten sie die mystische Vereinigung mit Gott, um sich der Zwiesprache mit ihm hinzugeben). »Diemut von Wessobrunn« schrieb 45 alte Schriften auf Pergament. Sie wurde eine der bedeutendsten deutschen Buchmalerinnen des Hochmittelalters und wird als frühe Mystikerin verstanden (Quelle: Heiligenlexikon).
Berühmte Barockkunst im Kloster Wessobrunn
Bleibenden Eindruck hinterlassen jedoch die Stuckarbeiten. Sehenswert sind der Tassilosaal und der Fürstentrackt. Im Tassilo- oder Jagdsaal dominieren an der Decke grün gefärbte Stuckreliefs. Sie zeigen Waldgeister, Wildschweine, Hirsche, Hasen und Jagdhunde, die mit Eichenlaub und Weinranken verziert sind. Mit 88 Metern Länge ist der Fürstentrakt der längste Stuckgang der Welt. In diesem Flur sind prachtvolle, in Pastellfarben komponierte Stuckverzierungen angebracht. Üppig geformte, antike Akanthusblätter, Engel, Früchte, Jakobsmuscheln und Girlanden sind präzise dargestellt. Die Stuckarbeiten bilden ein barockes Gesamtkunstwerk.
Im 17. Jahrhundert waren die Wessobrunner Künstler in ganz Europa gefragt. Es gab eine Schule für Stuckateure mit zeitweise bis zu 600 Schülern. Die Künstler der Wessobrunner Schule wurden für repräsentative Bauwerke engagiert. Die bekanntesten Stuckkünstler waren Joseph Schmutzer, sein Sohn Franz Xaver Schmutzer und Johann Baptist Zimmermann. Sie wurden für kurfürstliche Residenzen, für Schloss- und Kirchenbauwerke beauftragt. Im Zarenhof in St. Petersburg, im Versailler Schloss, in Schloss Schönbrunn in Wien, in der Wieskirche, in Schloss Schleißheim, Schloss Nymphenburg in Bayern sind die schönsten Kunstwerke aus ihrer Hand zu sehen. Die Blütezeit der Wessobrunner Kunst hielt 200 Jahre lang bis zur Säkularisationszeit. Später wurden die Bauten schlichter, üppig gestaltete Barockkunst war auf einmal nicht mehr angesagt.
Apothekenmuseum im Kloster Wessobrunn
Neues Leben in alten Mauern
Klöster werden aufgegeben, weil das Leben in Askese und nur auf Gott ausgerichtet für viele nicht mehr zeitgemäß scheint. Häufig sind die wenigen Mönche und Nonnen zu alt, um ein großes Klostergebäude zu erhalten. Dies war in Wessobrunn ebenfalls der Grund, weshalb ein Käufer gesucht wurde. Die letzten 11 Benediktinerinnen hatten ein Durchschnittsalter von 77 Jahren. Sie siedelten in ihr Mutterhaus nach Tutzing um.
Das Kloster Wessobrunn war lange Zeit zum Verkauf ausgeschrieben. Es fanden sich seriöse und weniger seriöse Interessenten ein, um sich für den Kauf zu bewerben. Es gab Pläne eine Klinik oder ein Nobelhotel einzurichten. Ein Benediktinerkloster ist ein spiritueller Ort und eine Veräußerung will durchdacht sein. Nicht zuletzt, da es sich um ein deutsches und bayerisches Kulturgut handelt, gibt es Verpflichtungen gegenüber der Öffentlichkeit. Dieser sakrale Ort sollte weiterhin für alle zugänglich bleiben.
Nach einem längeren USA Aufenthalt macht Martina Gebhardt einen Spaziergang in der Umgebung von Wessobrunn. Sie verweilt gern unter der Tassilolinde, weil dies ein friedlicher und entspannender Platz sei. Hier hat sie von einer Bekannten erfahren, dass das Kloster verkauft wird. Sie fasste sich ein Herz und besuchte die Schwestern im Kloster, um sich zu erkundigen. Als Architektin hat sie häufig historische Bauwerke geplant, von daher verfügt sie über eine entsprechende Expertise. Die Schwestern unterbreiten ihr ein verlockendes Angebot. Sie solle ein Konzept entwickeln, wie Naturkosmetik mit den Bedürfnissen dieses Klosters in Einklang zu bringen sind.
Martina Gebhard hat nicht lange gezögert. Zur benediktinischen Lebensweise gibt es viele Berührungspunkte. »Ehrfurcht vor der Schöpfung« ist für sie ebenfalls ein wichtiges Anliegen. Kräuter- und Heilpflanzenanbau sowie Naturheilkunde ergänzen sich in kongenialer Weise mit dem Kloster Wessobrunn.
Die Nonnen haben dem Verkauf zugestimmt und alle anderen Beteiligten konnten sich ebenfalls einigen. Sogar der Vatikan musste seinen Segen geben. Martina, als nicht katholisch Gläubige, konnte das Kloster Wessobrunn erwerben und ihren Lebenstraum verwirklichen. Ihr Mut und ihre Kreativität haben erreicht, was sie sich in ihren kühnsten Träume nicht ausdenken konnte.
Die Kirche als sakraler Ort musste entweiht und profaniert werden. Achtsam hob der zuständige Bischof mit beiden Händen die heilige Reliquie aus dem Altar. Mit diesem Akt wurde die Kirche endgültig geschlossen, sie ist danach für eine Nutzungsänderung freigegeben.
Das Kloster Wessobrunn ist ein Beispiel dafür, was sich aus ehemaligen Klöstern entwickelt, wenn man kreativ und achtsam damit umgeht. Für die Architektin Martina Gebhardt ist es vernünftig, alte, historische Gebäude behutsam zu renovieren und einer neuen Nutzung zuzuführen. Das sei besser und ökologisch sinnvoller, als ständig neue Bauwerke auf der grünen Wiese zu planen.
Ora et Labora

Die Vision von Martina Gebhardt wird lebendig und nimmt immer mehr Gestalt an. Das Kloster Wessobrunn soll in Zukunft Arbeits-, Lebens- und Kulturraum sein. Sie nutzt die Ländereien, das große Gebäude, den Kräutergarten, um Mensch und Natur wieder zu vereinen. Es gibt jetzt im Kloster Wessobrunn eine Vielzahl von Angeboten für Menschen, die sich für Weiterbildung oder für neue Inspirationen interessieren.
Ehemaliges Benediktinerkloster Wessobrunn

