Allgäu Schloss Neuschwanstein

Bayern: Allgäu – Neuschwanstein

von Peter Heigl

Schloss Neuschwanstein: Platz Eins bei TOP 100-Wahl! Neuschwanstein ist einsame Spitze! Danke, Ludwig! 46 000 haben gewählt! Schloss Neuschwanstein ist die Nummer Eins unter Deutschlands Sehenswürdigkeiten! Das ergab die große Umfrage der DZT – Deutsche Zentrale für Tourismus.

Lieber Ludwig! Ja, ich weiß, Deine Vision von der weltentrückten Gralsburg in den Allgäuer Bergen hattest du Dir anders vorgestellt! Nicht mit Tausenden von Besuchern pro Tag! Mehr als eine Million im Jahr! Aber es ist nun mal so gekommen, damit musst Du fertig werden. Und eines will ich Dir heute auch sagen: alle, die in der Nachbarschaft Deines Schlosses Neuschwanstein leben dürfen, sollten froh und dankbar sein!

 

Schloss Neuschwanstein
Foto © Andreas Riedmiller Schloss Neuschwanstein

Was macht Neuschwanstein so besonders?

Gestatte, Ludwig, dass ich so vertraulich rede mit Dir. Ich wohne immerhin in Deiner Allgäuer Nachbarschaft, sehe jetzt beim Schreiben dieser Zeilen hinauf zur Burgruine Falkenstein, wo Du Dein allerletztes Schloss bauen wolltest, noch einsamer und kühner als Neuschwanstein, als letzte Ruhestätte, wie man heute vermutet. Und immerhin stand ich lange Zeit bei Dir in Diensten, als Königlich Bayerischer Hofkutscher sozusagen, und habe auf  Herrenchiemsee Geld verdient fürs Studium.Tausende von Gästen aus dem In- und Ausland habe ich dort zu Deinem Schloss befördert.

Was macht Dein Schloss Neuschwanstein so besonders? Warum wählen die Leute nicht das Heidelberger Schloss? Das kommt erst auf  Platz 8. Oder das zauberhafte Schloss Sanssouci in Postsdam? Das ist nicht einmal unter die ersten 10 gekommen!


König Ludwig Portrait aus Marmor. Gestaltet von Ely Ney.
Foto © Andreas Riedmiller Ludwig Büste  von Ely Ney.
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Traum-Landschaft Allgäu und Neuschwanstein

Nun, ich glaube, Ludwig, das liegt an Dir: Zum einen, an der genialen Wahl des Ortes! Nicht in München und seiner unmittelbaren lieblichen Umgebung, am Starnberger See etwa, hast Du Deinen Traum verwirklichen wollen, sondern in einer grandiosen Traum-Landschaft! Mit Götterblick auf Berge, Täler und Seen, und dem Himmel so nahe!

Naturnah, würde man heute sagen. Das gilt ja auch für Deine anderen Kreationen: Schloss Linderhof  im – damals! – einsamen Graswangtal! Schloss Herrenchiemsee auf der – damals! – einsamen Herreninsel! Und gar erst das Schachen-Schloss hoch oben im Wetterstein-Gebirge! Da ist es heute noch etwas ruhiger, denn da fahren keine Busse und keine Kutschen, nein, da muss man sich schon selber vier Stunden plagen hinauf zu Deinen Traum-Gemächern.

Und es liegt an Dir, Ludwig. Am Märchenkönig, der einsam und tragisch starb!

Dem jungen König flogen alle Herzen zu. Der kranke, leidende, unverstandene einsame Monarch zog sich zurück nach Neuschwanstein, hasste München, hasste Städte, vermied Menschenmassen.

In jungen Jahren warst Du Romantiker, Wagner-Freund, Musikliebhaber, aber auch ein unglaublicher Technik-Freak, ja, so würde man heute sagen.

Ludwig II  –  Märchenkönig, Romantiker, Technik-Freak

Schloss Neuschwanstein, das wissen die wenigsten, war der erste große Bau Deutschlands, bei dem die Stahlträger-Technik übernommen wurde, die gerade bei den ersten Wolkenkratzern in New York verwendet wurden. Eigentlich ist Neuschwanstein gewissermaßen der erste deutsche Wolkenkratzer. Ummantelt von Stein, aus den Steinbrüchen vor Ort. Neueste Technik, gekonnt kombiniert mit Material aus der Region. So gebaut, dass man es, im Gegensatz zu vielen anderen Hochhäusern, auch heute noch nach vielen Jahren anschauen kann mit Freude und Bewunderung … Die erste elektrische Lampe an einem Fahrzeug in Deutschland war die Lampe an Deinem Prunkschlitten. Der erste Einsatz der neu erfundenen Elektrizität im größeren Stil geschah für Deine Illuminations-Projekte auf Linderhof  und Herrenschiemsee. Heute profitieren wir alle von dieser großartigen Erfindung. Noch was: Du warst der Meinung, dass Menschen im Ballon nicht irgendwohin getrieben werden, vom Winde verweht, sondern hast  Modelle entwickeln lassen, die Ballone von A nach B bringen. Die Universität München, von Deinen Vorvätern gegründet, hast Du ergänzt durch eine zusätzliche Technische Hochschule: Die von Dir gegründete Technische Universität, die TMU, ist heute auch eine TOP-Adresse der wissenschaftlichen Forschung weltweit!

Ach Ludwig, ich hätte Dir  noch viele weitere Projekte gegönnt, und meinetwegen auch noch ein paar Schlösser! Ich gebe zu, mir ist es lieber, Staatsgelder fließen in Schlösser wie Neuschwanstein und Kunst, nicht in Kriege und Kanonen! Du verabscheutest Kriege. Du hasstest die Kriegstreiber. Da warst Du Deiner Zeit, Deinen zeitgleich regierenden Royals in Deutschland und Europa weit voraus! Danke dafür!

Neuschwanstein und der einsame König

Trotzdem, Du bist nicht glücklich geworden, weder als Regent noch als Mensch. Man hat Dich abgesetzt, weil Du die Regierungsgeschäfte vernachlässigst habest. Alles falsch, wie man heute genau weiß! Du hast in Deinen langen einsamen Nächten in Neuschwanstein nicht nur Musik gehört und geträumt, sondern stundenlang gewissenhaft Akten studiert. Nachts, weil Du Tageslicht nicht mehr ertragen konntest von lauter Schmerzen! Man hat Dich abgesetzt, weil die königliche Verwandtschaft und die Minister nicht klar kamen mit Deiner homoerotischen Neigung. Das galt damals als Vergehen und Sünde. Was hast Du Dich damit gequält! Und Deine Kurzzeit-Verlobte Sophie und andere schöne Frauen haben sich vergeblich schön gemacht für Dich, schade…

Heute würdest Du einfach sagen können, einen Regierenden Bürgermeister zitierend: „Ich bin schwul, und das ist gut so!“  – Damals waren wir noch nicht so weit. Gott sei Dank sind die Zeiten anders geworden. Wir  sind toleranter geworden, auch in Bayern.

Und, Gott sei Dank, so sage ich auch heute, haben wir Dich als König gehabt, den Romantiker auf dem Königsthron, nicht einen noch so großen Friedrich, der seine Aggressionskriege führte für Preussens Gloria!

Bayern ohne Neuschwanstein – undenkbar!

Bayern wäre nicht das, was es ist, ohne König Ludwig II.! München wäre nicht München ohne die Schlösser vor der Haustür! Und Deutschland wäre so viel ärmer ohne Deine Schlösser! Ich weiß noch, wie ich überrascht war, als ich mitten in Südamerika in einer Bar über der Theke das Poster von Neuschwanstein entdeckte und deshalb mit dem Gastgeber ins Gespräch kam. Seine Augen strahlten: „Qué  lindo, qué  lindo!“  Auch Stein gewordene Träume  können Völker verbinden…

Wohl den Ländern, wo Regierende Visionen entwickeln! Die auf Visionen setzen von Kunst, Musik, Wissen, Wissenschaft, Technik! Die auf Frieden setzen, nicht auf Krieg! Und eines weiß ich auch, lieber Ludwig: Heute dürfen wir nicht nur hoffen auf die Regierenden, „die da oben“. Nein, heute sind wir, in den westlichen Demokratien, ja selber Herrscher. Wir haben unser Geschick selber in der Hand, per Wahlzettel. Und es gilt, Verantwortung zu übernehmen über die Marschrichtung unserer Politik, per Wahlzettel. Wir müssen einerseits Visionen  haben für die große Richtung, und andererseits einen klugen, nüchternen Kopf für das politisch und wirtschaftlich Machbare! Für kleine, aber richtige Schritte in die richtige Richtung! Das gilt für Öko- und Sozialpolitik, Energiepolitik, Resourcen-Politik, Eine-Welt-Politik,  Generationen-Gerechtigkeit und und und… Dazu wünsche ich uns allen, die wir heute regieren, sei es als Mandatsträger oder per wirtschaftlichen Einfluss oder  einfach nur per Wahlschein, viel Glück! Und Dir, Ludwig, nochmal ein Dankeschön für Neuschwanstein und Denkanstöße!


Autor Dr. Peter Heigl
Peter Heigl

Peter Heigl studierte in München, war tätig in Edinburgh und Montevideo und arbeitet als Sprachwissenschaftler, Trainer und Autor. Er lebt seit vielen Jahren im Allgäu. www.dr-heigl.de


 Die von Ludwig II erbauten  Schlösser:

  • Schloss Neuschwanstein
  • Schloss Linderhof
  • Schloss Herrenchiemsee
  • Jagdhaus Schachen im Wettersteingebirge
  • Falkenstein (nur Planung)

Schloss Neuschwanstein
Foto © Andreas Riedmiller Schloss Neuschwanstein

 

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  1. Thomas Greiter

    Lieber Andreas Riedmiller,

    durch einen Hinweis meines Freundes Peter bin ich auf Ihren Blog und die Fotografie von Neuschwanstein gestossen, die ich absolut grandios finde. Als gebürtiger Allgäuer aus der Nähe des Schlosses ist mir sein vielseitiges Erscheinungsbild je nach Witterung und Jahreszeit noch sehr vertraut.
    Ihre Fotografie aber hat mich besonders berührt. Nach meinem Empfinden ist sie, das kann ich aufrichtig sagen, die beste, die ich je gesehen habe, vor allem wegen des zauberhaften Farbspiels in Blau, das das Bild in tausend zarten Nuancen gestaltet. Ein wahrhaftiges Traumbild und geradezu authentischer blueprint aus der Seele seines Schöpfers.
    Und wenn ich um die Farbe Blau als Symbol oder besser Medium der Transzendenz weiss, dann wird der Ausdruck des Bildes noch viel viel tiefer.
    Der schöne Text von Peter, passt total zu dieser Fotografie. Sehr sensibel und tiefgründig und doch so schlicht geschrieben. Was mich immer wieder anspricht: sein weiter, offener und tiefer Geist, wo immer er als Autor seine Feder ansetzt! Ein professionelles Zusammenspiel von Bild und Text. Ganz herzlichen Dank für den Blog!
    Thomas Greiter, Melbourne, AUS

    • Lieber Thomas Greiter,

      vielen Dank. Es freut mich sehr, wenn Ihnen der Beitrag gefallen hat. Ich freu mich auch über die Texte von Peter Heigl. Sie haben genau das richtige Gefühl für das Motiv und bringen so ein “Kopfkino” in Gang.

      Viele Grüße aus Ihrer Allgäuer Heimat nach Melbourne und “besuchen” Sie mich bitte wieder mal!

      von Andreas

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