Gefunden wurde die Venus von Willendorf am 07. August 1908 bei Bauarbeiten der Donau-Uferbahn in Willendorf in der Wachau von Grabungsarbeitern. Sie ist das wertvollste und schönste Ausstellungsstück, welches im Naturhistorischen Museum in Wien zu besichtigen ist. Sie ist Österreichs bekanntestes Fundstück aus der jüngeren Altsteinzeit und zählt bisher zu den ältesten uns bekannten Darstellungen eines Menschen auf der ganzen Welt.

Geoarchäologe Alexander Binsteiner untersucht die Venus
Diese kunstvolle Statuette entstand um 25.000 v. Chr. Damals war die letzte von vier Eiszeiten, die Würm-Eiszeit. Die Menschen lebten zu dieser Zeit als Jagdnomaden in wechselnden Sommer- und Winterlagern. Man kann das Leben der steinzeitlichen Menschen vergleichen mit den heute noch lebenden Rentier-Nomaden in der sibirischen Tundra.
Woher kommt das Gestein der Venus?
Das Gestein der Venus von Willendorf ist am Fundort weit und breit nicht zu entdecken! Experten und Wissenschaftler des Museums rätseln seit 1908.
Erst wenn bekannt ist, wo das Gestein der Venus herkommt, kann vielleicht das Geheimnis gelüftet werden. Um diese Frage zu klären, wurde der Experte für steinzeitliche Altersbestimmungen, Diplom-Geo-Archäologe Alexander Binsteiner, mit der Untersuchung beauftragt. Ich durfte mit Alexander Binsteiner mitgehen, um die Untersuchung mit der Kamera zu dokumentieren.
Wir kommen in den Arbeitsraum von Dr. Anton Kern. Er ist Direktor der Prähistorischen Abteilung im Naturhistorischen Museum in Wien. Er verwaltet einmalige Schätze, darunter auch die Venus von Willendorf. In seinem Arbeitsraum stapeln sich auf seinem Schreibtisch, zwischen Glasschränken und antiken Möbelstücken, allerlei Exponate in Schachteln und Kisten. In einer Ecke steht der eiserne Tresor, worin das Allerheiligste Österreichs, die Originalstatuette der „Venus von Willendorf“, für alle Zeiten, sicher aufbewahrt wird.
Das Original der Venus von Willendorf liegt im Tresor
[the_ad id=”38143″]
Wir werden von Frau Dr. Walpurga Antl-Weiser erwartet. Sie ist Leiterin der Sammlung Altsteinzeit im Naturhistorischen Museum. Durch die wissenschaftliche Betreuung ihres Bereichs ist die Venus von Willendorf zu einem ihrer Forschungsbereiche geworden. Bedächtig zieht sie ihre weißen Seidenhandschuhe an und öffnet vorsichtig den Tresor. Mit ruhigen Handgriffen, nimmt sie das Schächtelchen heraus, worin die Venus aufbewahrt wird. Sie legt die elf Zentimeter große Venus rücklings auf die Betrachtungsbühne des Mikroskops. Von jetzt an wird sie kein Auge mehr von der Venus abwenden, sie ist verantwortlich für dieses wertvolle Ausstellungsstück, für das es keine Versicherung gibt.

Untersuchung mit dem Mikroskop
Im Wesentlichen findet die Untersuchung mit dem Mikroskop auf der rauen Gesteinsoberfläche der Venus statt. Alexander Binsteiner ist Experte auf dem Gebiet der Gesteinsbestimmung von steinzeitlichen Funden. Anhand von Bearbeitungsspuren, der Gesteinsart und der mikroskopisch kleinen Einschlüsse, lassen sich für ihn Rückschlüsse auf das Herkunftsgebiet der Statuette ziehen.
Das Geheimnis ihrer Herkunft wird gelüftet
Als Naturwissenschaftler zählen für Alexander Binsteiner nachweisbare Fakten. Er stellte fest, dass der Kalkoolith (Eistein), aus dem die Venus gemacht wurde, keine Fossilieneinschlüsse hat. Das war zunächst eine Enttäuschung. Erst später stellte sich heraus, dass dieser Befund dann direkt zur klaren Bestimmung des „Venussteines“ führte.
Das Steinmaterial kommt von Stranska Skala, einem Kalksteinmassiv im Stadtgebiet der mährischen Hauptstadt Brünn (Brno). Das Gestein der Venus wurde mit Feuersteingeräten aus dem Kalksteinmassiv geschnitten.
Ein bisher verborgenes Geheimnis der Venus von Willendorf, die Herkunft des Gesteins, wurde somit von Alexander Binsteiner gelüftet. Er meint. „Man könnte die Venus noch mit den neuesten Methoden, geochemisch untersuchen. Vielleicht kann man noch weitere Geheimnisse lüften, das weiß man vorher nie.“
Ich mache noch einige Bilder der wertvollen Dame, dann wird die Venus von Frau Dr. Walpurga Antl-Weiser wieder im Tresor eingeschlossen.
Wie und warum kam die Statuette in den Donauraum?
Der Fundort der Venus, war mit großer Wahrscheinlichkeit das Winterlager einer Nomadengruppe, die an der Donau in den Wintermonaten bei milderen Temperaturen lagerte. Ihr Sommerlager hatten sie weit entfernt in den Altmoränengebieten Nordböhmens. Das stellte Alexander Binsteiner fest, und zwar durch die Feuersteingeräte, die sie aus diesen Ablagerungen mit an die Donau brachten. Direkt auf ihrer Wanderroute an der mährischen Pforte lag der Stranska Skala bei Brünn. Einer der Nomaden hat den Stein dort aufgesammelt, zur Venus geformt und an die Donau nach Willendorf mitgenommen.
Ein Kunstwerk aus der jüngeren Altsteinzeit
[the_ad id=’38148′]
Ich sah die Venus liegen und konnte sie unter dem Lichtkegel des Mikroskops lange gut betrachten. Sie ist klein, sehr auffallend sind ihre großen Brüste und ihre dralle, weibliche Figur, ohne erkennbare Gesichtsstruktur. Ihre dünnen Arme, mit gezacktem Armreifen, ruhen auf ihrem schweren Busen. Ihr Kopf ziert ein Korbgeflecht oder eine besondere Frisur. Steht sie symbolisch für das Weibliche schlechthin? Ist sie eine Fruchtbarkeitsgöttin? Welche Botschaft vermittelt sie uns? Das bleibt ihr Geheimnis.
Wozu wurde sie verwendet ?
Alexander Binsteiner sagt: „Da gehen die Meinungen weit auseinander. Als Naturwissenschaftler erspar ich mir Ausflüge in die weite Welt der Geisteswissenschaften. Persönlich glaube ich, dass die Venus natürlich etwas mit Kult und Religion der Eiszeitmenschen zu tun hatte.“ Sie ist ein Kunstwerk aus der jüngeren Altsteinzeit mit einer Ausstrahlung bis in die heutige Zeit hinein.
Reisetipp Wien:

Naturhistorisches Museum in Wien
Das naturhistorische Museum in Wien ist eines der weltweit größten und kostbarsten Archive der Artenvielfalt, der Mineralien, Meteoriten und der urgeschichtlichen Zeugnisse. Unerschöpflich ist der Reichtum an einzigartigen Exponaten, die seit über 250 Jahren gesammelt werden. Wer nach Wien kommt, sollte unbedingt einen Abstecher in dieses Museum machen. Sie können einen Blick in die Vergangenheit des Menschen werfen und ausgestorbene Tierarten unserer Erde entdecken. Rund 30 Millionen Sammlungsstücke sind es, bei Forschungsfahrten und Grabungen kommen noch weitere dazu!
Neu: Lesenswertes Onlinebuch – “Homo sapiens auf neuen Wegen”. Geoarchäologe Alexander Binsteiner folgt den Spuren der Steinzeitmenschen durch die Alpen und Mitteleuropa.
Naturhistorisches Museum Wien
Burgring 7
1010 Wien, Austria
Tel.: + 43 1 52177-0

Danke für die Fotoerlaubnis während der Untersuchung im NHM an Dr. Anton Kern, Frau Dr. Walpurga Antl-Weiser und Diplom Geoarchäologe Alexander Binsteiner.