Noch vor Wintereinbruch möchte Dipl. Biologe Henning Werth zu den Allgäuer Steinböcken wandern. Klar, dass mich seine spontane Einladung zu dieser Steinbocktour freut. Im Felslabyrinth zwischen dem Geißhorn und dem Angerkopf sind sie von unten kaum zu entdecken. Henning: “Wenn wir Glück haben, befindet sich ein Steinbock im großen Geröllkessel unterhalb des Wildengundkopf. Versprechen kann ich aber nichts.”
Steinbocktour mit Henning Werth












Natur erleben im Allgäu
Vom Rappenalptal steigen wir mit schweren Rucksäcken steil zur Mindelheimer Hütte auf. Nach einer Verschnaufpause wandern wir in den Geröllkessel unterhalb des Wildengundkopfs. Von weitem sehe ich Henning, der mit seinem Fernglas die Felswände nach einem Steinbock absucht.
Wir haben Glück. Auch ohne Feldstecher sehe ich jetzt zwei dunkelbraune Pünktchen im Fels. Zwei Steinböcke bewegen sich weit oben in der Wand im schweren Klettergelände nach unten. Sie tanzen gemütlich, ohne Eile im Zickzack von einer Felskannte zur anderen. Es ist für uns ein tolles Erlebnis, dem Steinbock beim Abstieg zuzusehen.
Wie aus dem Nichts erscheint ein dritter Steinbock auf der Bildfläche. Hintereinander ziehen sie majestätisch und gemütlich vor unseren Augen vorbei und ein Schauspiel ereignet sich. Ein Pfiff hallt aus der gegenüberliegenden Felswand, lose Steinbrocken poltern herab. “Schau, die Steinbock Geiß kommt“, sagt Henning.
Zur richtigen Zeit am richtigen Platz
Der Biologe pirscht mit dem Teleobjektiv näher an deinen Steinbock heran. Der Fotograf, die Steinbock-Geiß und die männlichen Steinböcke kommen sich näher. Mit schwerem Gehörn beginnen die Steinböcke kleinere und größere Gefechte untereinander auszutragen. Sie bäumen sich auf und prallen mit den Schädeln krachend aufeinander. Ist es Imponiergehabe oder probieren sie spielerisch aus, wer der Stärkste im Revier ist? Ernst sind diese Kämpfe noch nicht. Mit dem Tele gelingen Henning gute Fotos. Ein Steinbock lebt das ganze Jahr über getrennt von den Geißen. Nur im Dezember zur Brunftzeit treffen Steinböcke aufeinander. Dann finden heftige Ritualkämpfe um die Gunst der Weibchen statt. Das harte Zusammenkrachen des Gehörns hört man kilometerweit. Nach gegenseitigem “beschnuppern“ und kleineren Showkämpfen, ziehen sich die Tiere wieder in höhere Regionen zurück. Die Wanderung in das Revier des Steinbock hat sich gelohnt.
Steinböcke waren begehrte Jagdtrophäen

Der Steinbock wäre beinahe ausgestorben. Seinem Gehörn wurden magische Eigenschaften zugesagt. Der geheimnisvolle Steinbock wurde nicht nur wegen seiner Trophäe verfolgt. Sogar sein Blut, seine Herzknorpel, die Haare, Magensteine und seine Exkremente verwendete man als Medizin. Apotheker zahlten hohe Preise dafür. Wilderer jagten den Steinbock illegal. Das führte fast zum Aussterben dieser mystifizierten Tierart. König Vittorio Emanuele III. ist zu verdanken, dass der Steinbock heute noch lebt. Der italienische König sorgte dafür, dass die letzten fünfzig Exemplare im Nationalpark Grand Paradiso überleben konnten. Im Jahr 1856 machte der König das Gebiet um den Grand Paradiso zum königlichen Jagdrevier. Er ließ die letzten Steinböcke bewachen, denn seine Jagdgäste sollten immer genug Steinböcke vor die Flinte bekommen. In seinem Palast wurden die Gehörne dann zur Schau gestellt.
Um 1960 wurden im Allgäu und im benachbarten Kleinwalsertal Schweizer Steinböcke, die aus dem Grand Paradiso stammen, angesiedelt. Der Steinbock wird zehn bis zwölf Jahre alt, die Geiß bringt nicht mehr als ein Junges pro Jahr zur Welt.
Der Steinbock hat ein extrem hartes Leben im Winter
Wie der Steinbock den extremen Winter in den Allgäuer Bergen überlebt, zeigt Kameramann Gerhard Bauer in einem sehenswerten Film. Steinböcke steigen auch im strengsten Winter nicht ins Tal. Im Gegenteil, der Steinbock erklimmt die höchsten Felsregionen. Vermutlich sagt ihnen ihr Instinkt, dass die Lawinengefahr oben geringer ist. Hier sind noch Gräser und Kräuter zu finden, mit ihren Hufen scharren sie Polster der immergrünen Silberwurz aus dem Schnee. Bei eisigem Sturm und Schneetreiben bilden sich in ihrem Fell dichte Schnee-und Eisballen. Im Windschatten der Felswände harren sie aus, bis es Frühling wird. Nach fünf bis sechs Monaten Tragezeit bringen sie im Mai ihre Jungen zur Welt.
Naturschutzgebiet Allgäuer Hochalpen











Im Naturschutzgebiet Allgäuer Hochalpen
Die Alpen, besonders die Allgäuer Hochalpen, sind Rückzugsgebiet für viele Arten. Mit mehr als 200 Quadratkilometern sind die Allgäuer Alpen eines der größten Naturschutzgebiete in Deutschland. Wo Alpwirtschaft extensiv ist und keine Gülle auf die Weide kommt, gibt es die schönsten Blumenwiesen Deutschlands. An unzugänglichen Flanken der Allgäuer Grasberge und auf extensiv bewirtschafteten Weiden entdeckten Biologen über 1000 Pflanzenarten. Darunter sind 120 Pflanzenarten, die vom Aussterben bedroht sind. Arten, die im Alpenvorland ausgestorben waren, konnten hier oben überleben. Kolkrabe und Steinadler suchen sich von hier aus neue Reviere und breiten sich wieder im Alpenvorland aus.
Das Wetter schenkt uns einen ganz besonderen Tag. Zum Glück waren die Steinböcke nicht ganz soweit oben, wir konnten sie gut beobachten. Außer dem Steinbock sind uns noch andere Alpenbewohner begegnet. Am Himmel sahen wir plötzlich ein Adlerpaar schweben. Schneesperlinge flatterten vorüber und Bergdohlen kamen näher um Futter zu betteln. Gämsen äsen auf einem Felsvorsprung und in der Abenddämmerung kam Rotwild aus der Deckung des Bergwaldes heraus. Nur der Bartgeier, den Henning hier manchmal sieht, zeigt sich nicht.
Allgäuer Hochalpen








Mit Fahrtziel Natur zur Steinbocktour
Am besten reisen Sie mit der Bahn und 100 Prozent Ökostrom in die Urlaubsregion Allgäu. Sie kommen relaxt am Zielort an und nebenbei schonen Sie die Umwelt. Vor Ort lohnt sich die kostengünstige Allgäu-Walser-Card zu besorgen. Damit haben Sie im südlichen Oberallgäu viele Vergünstigungen.
- Direkt zum Bahnhof Oberstdorf und zur Wildlife Exkursion mit Henning Werth. Vom Rappenalptal geht es zur Mindelheimer Hütte. Im Felslabyrinth dahinter sind die Steinböcke Zuhause. Die Steinböcke leben im Hochgebirge. Gutes Schuhwerk und Bergerfahrung ist für diese Tour nötig. Die Anreise erfolgt mit dem Fernzug zum Bahnhof Oberstdorf. Von hier aus fährt man am besten mit dem E-Bike die lange Forststraße hinauf bis in das hintere Rappenalptal. Dort beginnt der Aufstieg.
- Nach Bad-Hindelang und in das Reich der Steinadler. Kinder sind bei einer Wanderung ins Reich der Steinadler begeistert. Von der Adlerhütte im Hintersteiner Tal kann man mit dem Fernglas direkt in die Kinderstube des Steinadlers blicken. Fernglas und Fotoapparat nicht vergessen! Die Bahnanreise erfolgt nach Sonthofen. Dann umsteigen in den Bus nach Bad Hindelang. Am Bad-Hindelanger Busbahnhof weiter mit dem Bus nach Hinterstein. Am Parkplatz „Auf der Höh“ startet kurz nach 10 Uhr der Bus zum Giebelhaus. Wer die Gästekarte „Bad-Hindelang-PLUS“ besitzt, fährt mit dem privaten Tälerbus ins Naturschutzgebiet und im gesamten Gemeindegebiet kostenlos. Mit der Gästekarte „Bad Hindelang PLUS“ profitieren Übernachtungsgäste von 20 Gratis-Leistungen. Über 240 Unterkünfte bieten im Gemeindegebiet diesen Service an. Mit der Gästekarte Bad Hindelang PLUS zur Förderung eines nachhaltigen Tourismus gewann die Region den Fahrtziel Natur-Award 2010.
- Nach Immenstadt in das Naturerlebniszentrum Allgäu. Nicht nur bei Regenwetter ist das Naturerlebniszentrum in Bühl am Alpsee einen Besuch wert. Hier sind interessante Ausstellungsräume die Einblick in das Naturschutzgebiet der Allgäuer Nagelfluhkette bieten. Es gibt auch ein umfangreiches Ferienprogramme für Kinder und Familien. Alle Infos auf der Webseite. Bahnanreise zum Immenstädter Bahnhof. Weiter mit dem Bus in Richtung Oberstaufen. Bei Haltestelle B 309 oder Bühl am Gästeamt aussteigen.
- Mein Tipp: Tierbeobachtungen mit BUND-REISEN
Steinadler beobachten im Hintersteiner Tal









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Mein herzlicher Dank gilt Henning Werth für die Einladung zu dieser Tour, für die gelungenen Adler- und Steinbockfotos, sowie für die interessanten Informationen. Henning ist Biologe und Gebietsbetreuer des Naturschutzgebietes Allgäuer Hochalpen vom Landesbund für Vogelschutz in Bayern.
Super Fotos und ein sehr informativer Bericht! Vielen Dank dafür! 🙂