„Ich verspreche, hoch und heilig, dass der Lechweg jeden, der keinen Stein in seiner Brust hat, mitten ins Herz treffen wird!“, sagt Stefan während der Eröffnungsfeier der Lechweg-Hängebrücke bei Holzgau. „Von der Quelle bis zum Fall“, so wird geworben für den Lechweg. Eine Flusswanderung, immer am Fluss entlang, – ein neuer Trend in den Alpen! Das will ich ausprobieren, dachte ich mir. 125 Kilometer in sechs Tagen am Lechweg flussabwärts. Wie läuft so was? Was gibt es am Lechweg zu entdecken? Was kann man da erleben?
Am Formarinsee startet der Lechweg
Von der Freiburger Hütte aus, nahe dem Formarinsee, beginnt der Lechweg. Ich nehme gleich die erste Abkürzung, durch nasses Gebüsch der Grünerlen, zum Formarinsee hinunter. Murmeltiere machen Frühjahrsputz und schaufeln frischen Humus aus ihren Löchern. Ihre schrillen Pfiffe hallen durch die Gegend, sie warnen die Verwandten, und die pfeifen zurück. Der einsame Wanderer, auf dem Lechweg, scheint eine Gefahr zu sein …Nein, bin ich nicht. Schon eher für die vielen, vielen Alpensalamander, die meinen Weg kreuzen. Aufpassen, Salamander-Freunde, ihr und ich, Schritt für Schritt!
„Sie beißen auf alles was sich bewegt“, sagt der Fischer am Formarinsee im Lechquellengebirge. In kurzen Abständen holt er Forellen aus dem Wasser, eine nach der anderen. Sie sind hungrig nach einem langen Winter. Der verteidigt hier oben noch einige seiner letzten Eisflächen gegen die Frühjahrssonne.






Wo sind die Lechquellen
Wo ist die Lechquelle? Es gibt viele! Da brauche ich am Lechweg nicht lange suchen! Es ist ein richtig großes Quellgebiet unterhalb des Formarinsees: Aus Erdlöchern und Felsspalten quellen schmale Rinnsale hervor. Die Rinnsale werden zu kleinen Bächen. Und gleich darauf ist es ein Bach, den man kaum noch trockenen Fußes überqueren kann. Erst wenn die vielen kleinen Bächlein zusammenfließen mit dem Spullerbach, der vom Spullersee herunterkommt, dann, ja dann erst ist es für viele „der Lech“. Die vielen kleinen Bächlein oder vielen kleinen Lechlein, wenn man so will, nein, das ist er noch nicht!
Hier oben auf 1793 Meter über dem Meeresspiegel ist Frühling, obwohl unten im Tal schon Heuernte ist. Der letzte Schnee gibt nur zaghaft die Almflächen frei. Frühlingsblüher, Soldanellen und Krokusse blühen unter hauchdünnen Eisscheiben; die Silberwurz krallt sich an Steinblöcken fest; die Sumpfdotterblume blüht fett und breit im Sumpf, so wie es ihr Name verspricht. Eine in festlichem Weiß blühende Alpen-Anemone mit zarten, gelben Staubgefäßen in der Mitte wird von einer Hummel umschwärmt und liebevoll bestäubt…
Versteinerte Muscheln am Lechweg
Ich treffe Birgit, eine Biologin. Wir gehen ein Stück weit zusammen. „Versteinerte Muscheln!“ ruft sie auf einmal, „Schau, das sind versteinerte Muscheln!“ Eine geologische Sensation, direkt am Lechweg liegend! Ich wäre daran vorbeigelaufen! Birgit hat sie sofort erkannt. Sie erzählt mir genau, was hier zu sehen ist. Ich staune und bin begeistert. Ich stehe einem versteinerten Lebewesen gegenüber. Birgit erklärt mir weiter: „Das sind Megalodonten, versteinerte Muscheln aus dem Trias“. Gigantische Zahlen höre ich sie sagen. „200 Millionen Jahre alt, plus- minus, 20 Millionen Jahre hin oder her, so genau weiß man es nicht…“ Diese Muscheln lebten also, als Dinos unsere Erde bevölkerten. Ich staune, und ich fotografiere…




Blühende Bergwiesen am Lechweg
Blühende Almwiesen wechseln sich ab mit letzten Schneeflecken. Der Lechweg schlängelt sich neben dem Fluss hinunter bis zu den Ortschaften Zug und Lech am Arlberg. Der Weg geht einer Schlucht entlang in Richtung Steeg. Man kann auch hier den Lechweg als Höhenweg gehen in Richtung Lechleiten. Ich nehme die Variante über Lechleiten. Der Biberkopf markiert den südlichsten Punkt Deutschlands. Der Blick über das obere Lechtal zum Gipfel ist fantastisch! Auf gut ausgebauten Pfaden, vorbei an blühenden Landschaften, komme ich nach Lechleiten, ein kleiner Weiler unterhalb vom Biberkopf.



Die Bergwiesen blühen am Lechweg in voller Pracht. Verrotteter Kuhmist ist einziger Dünger. „Kunstdünger können wir uns hier oben gar nicht leisten!“, sagt mir ein Landwirt. Die Böden sind nicht überdüngt, wie im Flachland unten. Die Blüten und Pflanzen spiegeln die Bodenverhältnisse wieder. Der Gast staunt, und er freut sich: Hier sind sie, die ersehnten Fotomotive! Welch eine Pracht, welch eine Vielfalt, welch eine Schönheit!
Düfte und Gerüche am Lechweg
Im Weiler Lechleiten duftet es zwischen offenen Stalltüren heraus. Es riecht würzig nach Heu, nach feuchtem, frisch geschlagenem Holz und nach getrocknetem Kuhmist. Hinter Lechleiten führt der Lechweg leicht bergab, durch Bergkiefernbestände. Die Latschenkiefer, wie man sie hier nennt, hat ihren Lebensraum oberhalb der Baumgrenze. Noch konnten sich die biegsamen Äste vom Schnee, den es dieses Jahr reichlich gab, nicht ganz aufrichten.
Heiß brennt die Vormittagsonne in den Hang und ich komme ins Schwitzen. Die Spaltöffnungen der Bergkiefernadeln öffnen sich bei Hitze. So können die ätherischen Öle aus den Vakuolen ausströmen. So heißen die speziellen Zellen im Innern der Kiefernnadeln, die die Öle produzieren. Mit jedem Atemzug inhaliere ich den intensiven, harzigen Kiefernduft.
Wildererlandschaft
Der Charakter der Landschaft hat sich am Lechweg verändert. Statt durch liebliche Bergwiesen wandere ich hier in einer wilden Gebirgslandschaft. Sie erinnert mich an Wohnzimmergemälde mit röhrenden Hirschen drauf, die ich in Stadtwohnungen oft gesehen habe. Bergkiefern, Zirbelkiefern und abgestorbene Baumriesen prägen das Landschaftsbild. Dahinter steht der felsige Gipfel des Warther Horns. Goldhähnchen trällern vereinzelnd. Tannenhäher hüpfen auf Zirbelkiefern, ihren Lieblingsbäumen, hin und her. Den Fluss hört man nicht mehr hier oben. Alles ist ruhig. Auf einem Forstweg geht es hinab nach Steeg im Talgrund.




Das Rauschen des Lechs begleitet mich wieder. Auf leichtem Weg wandere ich, vorbei an feuerrot blühenden Türkenmohnstauden, deren schwere Blütenkelche in Bauerngärten wanken, bis nach Holzgau und suche dort mein Nachtquartier.
Nachtquartier in Holzgau
In Holzgau, am Höhenbach, unterhalb der schwindelerregenden Hängebrücke, lese ich: Zimmer zu vermieten. Ich klingle. Es öffnet mir Anna Knittel. Sie ist noch ganz aufgeregt. Gerade ist der stellvertretende Landeshauptmann höchstpersönlich zu Besuch. Er hat den Eheleuten Knittel zur Goldenen Hochzeit gratuliert. Heut` genau vor 50 Jahren haben sie geheiratet. Und er hat ihr einen Brief in die Hand gedrückt mit 700 Euro. Ja mei! Ja, sowas! Ja, so was Bsonderes! – Ja, so darf ich diesen besonderen Tag der Familie Knittel miterleben. Denn ich bin der erste Wanderer des Lechweg in diesem Jahr… Ganz informell geht es zu bei der Zimmerwahl: „Gehn´s rauf und suchen Sie sich ein Zimmer aus, nehmen´s das, was Sie möchten“, sagt sie, immer noch ein bisschen außer Atem. Ich freue mich, dass ich diesen Tag in diesem Haus bei dieser Familie sein darf…
Sage vom Bluatschink
Im Gasthof Bären nebenan bestelle ich mir einen „Espresso“ und frage nach dem geheimnisvollen „Bluatschink“. „Ja, der Bluatschink“, so erzählt mir der Wirtssohn Bernhard, “ ja, der spukt herum im Lech und im Höhenbach, und wenn Kinder zu nahe an den Fluss kommen, dann packt er sie und zieht sie ins Wasser.“ „Der Lech und der Höhenbach sind nicht immer so romantisch wie jetzt grad“, sagt mir Reinhold Lumper, der Bärenwirt. Der Höhenbach fällt steil vom Berg herunter über den Simswasserfall, und er fließt mit großer Geschwindigkeit und Wucht genau auf seine Wirtschaft und auf Holzgau zu. Eine stabile Wildbachverbauung hat bisher Schlimmes verhindert. Aber beim letzten schweren Unwetter, im Jahre 2005, da hat der „Bluatschink“ im Höhenbach und am Lech ziemlich gewütet. Da sind im Höhenbach tonnenschwere Steinblöcke herunter gerollt. Der Parkplatz vor dem Bärenwirt hat richtig vibriert. Ja, da kann man nur hoffen, dass alles gut geht, sagt er mir.
Schwindelerregende Hängebrücke, nichts für Angsthasen
Der dritte Wandertag am Lechweg beginnt mit einer Sensation: die Hängebrücke über das Höhenbachtal, 200 Meter lang, und 100 Meter über dem Höhenbach an der höchsten Stelle! Durch den Gitterrost sieht man 100 Meter nach unten! Und die Brücke schwankt! Ja, schon ein Nervenkitzel! Die einen meiden so was, die anderen zieht es magisch an. Wer unter Höhenangst leidet, sollte den Umweg gehen.



Die Schlucht des Lechweg kann man leicht umgehen, und die Brücke bräuchte man eigentlich nicht. Aber: Ein spektakuläres Bauwerk zieht halt die Leute eher an als noch so große Sehenswürdigkeiten der Natur, und was tut man nicht alles für seine Gäste? – Bei der Brückeneinweihung musste der Pfarrer aus Holzgau über die Brücke mitgehen. Es war Hochwürden deutlich anzusehen, so heißt es, dass er dem himmlischen Vater oder den Brückenbauern wohl nicht recht getraut hat. Die Tiroler Gebirgsschützen mussten ihm beistehen und ihn stützen…
Am Lechweg – Fassadenmalerei und Schnitzschule
Die EU-Zuschüsse für die Hängebrücke hätte man auch bestens in die Renovierung von bemalten Häusern in Holzgau stecken können. Die Lüftlmalereien sind schön und kostbar. Man muss sich unbedingt Zeit für eine Dorfrunde gönnen. Dieses Kulturgut müssen wir unbedingt bewahren.
Über Holzstege, sorgsam über empfindliche Moorlandschaften des Lechweg gebaut, geht es in Richtung Häselgehr und Elbigenalp. In Elbigenalp gibt es eine berühmte Schnitzschule. Ihre Wurzeln gehen zurück bis ins Jahr 1840. In einem Schauraum kann man Arbeiten der Holzschnitzer bewundern und erwerben. Ich bewundere die Phantasie, die in den Werken zum Ausdruck kommt. Der Schuldirektor zeigt den Gästen gerne seine Schnitzschule. Ja, es braucht Geduld und Können, um das Beste aus sich und einem rohen Stück Holz herauszuholen…
Lechweg – Entspannung pur am Fluss
„Man kann nicht zweimal in den gleichen Fluss steigen“, so heißt der Spruch eines griechischen Philosophen. Und ich meine: Man kann auch nicht zweimal am gleichen Fluss wandern. Das Gehen am Lechweg fällt mir leicht. Man könnte hier auch radeln. Aber gerade das Gehen, in genau meinem Rhythmus, finde ich so entspannend. Der Fluss daneben kühlt die Luft, das gleichmäßige Rauschen des Lechs und der Bäume lässt mich in eine Art Trance gleiten. Ich bin hochkonzentriert, laufe und laufe und laufe. Ganz unbeschwert. Meine Gedanken schweifen ab. Sie fliegen in die Vergangenheit und wieder zurück. Sie fliegen in die Zukunft und wieder zurück.




Beim Gehen am Lechweg bin ich im Hier und Jetzt. Der Fluss wird zum Bild für das eigene Leben, zum Fluss des Lebens, in den wir hineingeboren sind. Alles ist im Fließen, im Werden und Vergehen, und das einzig Beständige ist der Wandel. Und Reinhold Messner, der mir aus der Seele spricht mit seinen Worten:
“In der Geschwindigkeit des Fußgängers kann der Mensch, die Natur, sich selber am besten wahrnehmen, mit dem Flieger geht das alles zu schnell mit dem Auto auch, und mit der eigenen Atmung und dem eigenen Herzschlag, den wir spüren, haben wir eine viel engere Beziehung zu dem, was um uns herum ist.”
Wilde Wasser und stille Seen am Lechweg
Der Lech ändert immer wieder sein Gesicht. Jeden Tag. Im Quellgebiet schleicht das Wasser um Bachkiesel herum: weich, leise und fast unbemerkt. Bald schon hüpft es übermütig von Stein zu Stein. Der junge Bach vereinigt sich mit anderen Rinnsalen, die von links und rechts ins Tal herunterkommen. Bald fließt er schneller, rauscht lauter und steigert sich bis zum tosenden Krach. Unterhalb des Ortes Lech stürzt er sich in die Schlucht, er wird wild, sprüht mit Gischt um sich, faucht wie ein wildes Tier. Er stürzt sich über Wasserfälle und Steinstufen hinunter. Er wird so laut und lärmend, dass man kein gesprochenes Wort an seinem Ufer mehr versteht. Er zwängt und drängt mit aller Kraft und Energie durch die enge Lechschlucht unterhalb von Warth. Er kann nicht anders, es ist ein Gesetz der Physik. Die Schwerkraft zieht ihn durch die engen Felsen von Warth bis hinunter nach Steeg. Erst kurz vor Steeg findet er wieder etwas Ruhe. Die Landschaft wird weiter um ihn herum, das Gelände am Lechweg wird flacher. Jetzt fließt er, etwas breiter geworden, ruhiger dahin. Er spiegelt das Blau des Himmels. Und wenn es irgendwo in seinem Einzugsgebiet ein Unwetter hat, dann bringt das Wasser Schluff und andere Schwebeteile mit in den Hauptstrom. Dann schwillt der Lech kurzfristig an und färbt sich grau bis lehmig oder graugelb. Während der Schneeschmelze in den Bergen ist der Lech milchig und fast weiß gefärbt. Schon nach einem Tag kann er schon wieder glasklar sein oder in Türkis schimmern. Oft war ich im Lechtal, und immer habe ich den Lech anders gesehen.
Weiter unten zwischen Elmen und Stanzach nimmt sich der Lech alle Freiheiten heraus. Er schwingt und pendelt von einer Talseite zur anderen. Das darf er hier. Er bildet dabei Seitenarme, die mäandernd ein Stück nebeneinander her fließen und dann wieder auseinanderdriften.
Lechweg – neue Lebensräume am Lech
Alles verändert sich, immer wieder. Der Fluss bringt große Mengen an Kies und Geröll mit sich. Hier wird es vom Fluss abgelagert. Neue Lebensräume entstehen für Spezialisten, wie z.B für den Flussuferläufer. Dieser Vogel braucht diese weiten Kiesflächen am Ufer eines Flusses; er braucht solche Gebiete als Kinderstube und Lebensraum für sich. Pflanzen, die sich an neuen Ufern niederlassen, müssen Pioniere sein. Viele Weidenarten wachsen im Auenwald: die seltenen Tamariske, wilde Orchideen, Frauenschuhwiesen und Maiglöckchen blühen noch in großer Zahl! Eine Pracht! Hier ist Lebensraum für seltene Insekten: Ich sehe die Schnarrschrecke, die nur im Flug ihre rot glänzenden Flügel zeigt; sonst ist sie kaum zu entdecken. Hier flitzen die in Gold und Smaragd schillernden Laufkäfer am Boden, da fliegt der Bläuling, ein amethystblauer Schmetterling. Er flattert wie ein fliegender Edelstein von einer zur anderen Blüte.
Der Naturpark am Lechweg
Der Naturpark Lechtal umfasst wertvolle Gebiete entlang des Lechweg. Als ich mir diese Gebiete auf der Karte angesehen habe, war ich überrascht, wie winzig diese Schutzgebiete sind: Nur kleine Flächen wurden als Schutzgebiete ausgewiesen, die sowieso zu nichts anderem zu gebrauchen sind außer zur Kiesgewinnung. Die Natur hat hier ein Refugium gefunden. Für die Natur ist dieser Naturpark ein Erfolg, er wird vielleicht auch zum Erfolg für die Einheimischen, wenn sie dieses Potential erkennen und achtsam damit umgehen. Denn der Naturpark ist ein erstklassiges Markenzeichen und ein Gütesiegel für dieses Tal.
Er steht für unzerstörte, unverbaute Natur, und er wird von Jahr zu Jahr wertvoller. Der Naturpark am Lechweg ist die Basis für eine langfristige, nachhaltige, touristische Entwicklung im ganzen Lechtal. Das ist heute wertvoller denn je. Damit lässt sich bestens werben. Damit kann man neue touristische Angebote entwickeln, vielleicht sogar „sanften Tourismus“ neu erfinden. Das sind Zukunftschancen. Die Natur am Lechweg ist aus sich selbst heraus schön. Da braucht man nichts mehr hinzufügen. Was früher als rückständig galt, ist heute gefragt. Und genau das ist die große Chance des Tals: Immer mehr Menschen, die umweltbewusst leben wollen, möchten sich auch im Urlaub umweltfreundlich verhalten. Sie suchen Qualität, Natur, ursprüngliche Regionen für die kurze Zeit des Urlaubs. Hier ist sie!
Ich könnte noch einen Abstecher machen, mit der Jöchle-Bergbahn hochfahren und über den Alpenblumenpfad zur Bernhardshütte wandern. Doch das ist noch etwas zu früh im Jahr. Auch die großartige Ehrenberger Burgenregion, die rechts zu einem Abstecher lockt, lasse ich diesmal stehen. Ich will mir diese „Perlen“ am Lechweg aufsparen, für meine nächsten Besuche im Lechtal. Ich laufe zügig weiter. Seit vielen Tagen bin ich alleine gelaufen, habe seit Tagen mit niemandem länger gesprochen.
Bei Pflach treffe ich die beiden Wanderer am Lechweg, Lisa und Brunhilde aus Vorarlberg. Sie fragen mich, ob ich die letzte Tagesetappe am mitgehen möchte. Wir laufen nun die letzte Etappe am Lechweg zu dritt und tauschen unsere Erlebnisse aus. Sie sind genauso begeistert vom Lech und vom Lechweg wie ich.
Hinter Pflach kommen uns zwei Wanderer entgegen, die den Lechweg von Füssen aus begonnen haben und flussaufwärts wandern. Brunhilde spricht die beiden Wanderer an, und schnell entwickelt sich ein freundliches Gespräch. Informationen über den Weg werden ausgetauscht. Andreas aus Berlin kommt gerade zurück aus New York. Er hat in Bayern extra eine Lederhose gekauft, um stilecht den Lechweg zu erwandern. Sein Mitwanderer ist überrascht von der Herzlichkeit, mit der ihn die beiden Damen überschütten. Bei der Verabschiedung fragte er seinen Begleiter: „Soll ich jetzt auch noch küssen, oder was soll ich machen!?“ Noch heute denke ich nach über „Andreas aus Berlin“ mit seinem Begleiter. Kam er mir nicht irgendwie bekannt vor? War das ein Politiker? Mit Bodyguard? Eine Person der Öffentlichkeit, die unerkannt bleiben möchte? Verkleidet als Bayer, mit Lederhose? Ich weiß es nicht.
Auf jeden Fall sind solche Begegnungen schön: Man ist gleich per Du miteinander. Es gibt keine Hierarchie wie im normalen Leben. Leicht und unvoreingenommen kann man Menschen begegnen. Lächeln macht Freude. Dem, der gibt, und den, der es bekommt. Man sieht sich vielleicht nie wieder im Leben. Aber die Begegnung wird zur Bereicherung. Für mich, und sicher auch für „Andreas aus Berlin“.
Die Höhepunkte des Lechweg kommen am Schluss
Vor uns liegen noch einige bewaldete Hügel. Sie sind leicht zu überqueren. Hinter dem Felsklotz „Israelit“, schimmert ein blauer See durch den Fichtenwald. Wir sind am Alpsee. Es ist ein Höhepunkt des Lechweg. Der Lechweg biegt ab vom Flussufer und macht einen kleinen Umweg. Der Abstecher belohnt mit einem grandiosen Blick: Auf der anderen Seeseite stehen die weltbekannten Schlösser Neuschwanstein und Hohenschwangau! Der Blick von dieser Seite aus, über den dunkelblauen Alpsee, mit Neuschwanstein und Hohenschwangau, eingerahmt vom grünem Bergwald, ist herrlich! Unbeschreiblich! Nur wenige Meter vom Massentourismus steht man am glasklaren See, genießt die Stille und unberührte Natur.
Vom Schlosshotel in Hohenschwangau geht es weiter auf den Kalvarienberg. Es ist ein letzter, leichter Anstieg. Vom Kalvarienberg aus überblicke ich die Hausdächer und das Hohe Schloss der Stadt Füssen. Hinter mir, im Süden: die Lechtaler Bergriesen. Vor mir, nach Norden zu: die freie Ebene: Der Lechweg hat die Alpen verlassen.
Am Lechfall


Das Ziel am Lechweg ist erreicht
Wir erreichen den Lechfall und die Lechbrücke, das Ziel unserer Lechweg – Wanderung. Er fällt hier über einige Stufen in eine enge Felsschlucht hinein und verschwindet tosend aus unseren Augen. Autofahrer auf dem Weg nach Süden halten hier am Lechfall gerne an und gehen hinunter zur Eisenbrücke. Liebespaare küssen sich. Muttis und Papis halten ihre Kinder fest. Ältere Damen halten ihre Hündchen auf dem Arm, damit ja nichts passiert… Hobbyfotografen und Videofilmer halten den Lechfall für immer fest. An manchen Tagen herrscht hier am Lechfall richtiges Gedränge.
Alles ist im Fluss. Alles ist Bewegung. Auf Anspannung folgt Entspannung. Immer mehr spüre ich: Ich kann diesem Gesetz vertrauen. Ich kann mir selber vertrauen. Vieles was mich vorher beschwert hat, hat an Gewicht verloren. Dass man eine Strecke von 125 Kilometern gemeistert hat, obwohl man sich das vielleicht vorher gar nicht zugetraut hat, – ja, das ist ein gutes Gefühl. Die Wanderung auf dem Lechweg bleibt in guter Erinnerung!
„Der Lechweg ist ein Erlebnisweg, ein zutiefst, höchst emotionaler Weg. Keiner wird unberührt, im tiefsten Inneren seines Herzens, den Lechweg absolviert haben.“
So sagte Stefan noch bei der Einweihung der Hängebrücke des Lechweg in Holzgau. Er hat nicht übertrieben..

Faktencheck zum Lechweg:
- Der Lechweg ist ca. 125 Kilometer lang.
- Start des Lechwegs ist am Formarinsee im Lechquellengebirge auf 1793 Meter, Zubringerbus ab Lech, Ortskern.
- Ziel des Lechweg ist der Lechfall bei Füssen.
- Den Lechweg kann man in 6-8 Tagesetappen einteilen.
- Die Auszeichnung: „Leading Quality Trail, Best of Europe“, das Qualitäts-Siegel der europäischen Wandervereinigung, verlieh die Präsidentin Lis Nielsen, dem Lechweg.
- Der Lechweg ist leicht zu wandern und die einzelnen Etappen können auch mal unterbrochen werden.
- Am Lechweg laden “Lechweg – Partnerbetriebe” zur Einkehr oder zur Übernachtung ein.
- Wer am Lechweg wandert, braucht sein Auto nicht in Urlaub mitzunehmen.
- Sanfteres Reisen mit der Bahn ist möglich. Es spart Energiekosten. Sie haben weniger Stress bei der Anreise. Sie geben gegenüber einer Autofahrt zwei Drittel weniger CO2 an die Atemluft ab. Sie haben mehr Urlaubserlebnis vor Ort, dies ist Ihr Gewinn.
- Die einzelnen Orte am Lechweg sind im Stundentakt mit dem öffentlichen Bus zu erreichen.
Weitwandern mit der Bahn
Bequem mit der Bahn nach Tirol anreisen und auf außergewöhnlichen mehrtägigen Wanderungen das Land im Gebirge durchqueren. Am Bahnhof starten und nach 3 bis 6 Tagen wieder am Bahnhof ankommen. Von hier aus bequem nach Hause reisen. Natur- und Wandererlebnisse mit zünftigen Hüttenübernachtungen, regionale Gerichte ausprobieren und Tirols Bergwelt bewundern. So kann dein Urlaub mal anders werden. Sieben Tourenvorschläge bekommen Sie von Tirol – Tourismus.
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125 km durch das Lechtal! Na ja, die sind faszinierend! Hab aber Angst, dass es für die Meinen noch sehr anstrengend wird. Von Hägerau bis Bach könnte die ausreichen. Sehr dankbar für die Erfahrung und die Begeisterung zur Reise den Fluss entlang.
Hallo Andreas,
danke für die tollen Eindrücke vom Lechweg. Die Bilder und Gedanken muss ich mir immer wieder herholen.
Super! Kann ich nur weiterempfehlen. Werde ich auch machen. Besuche deinen Blog jetzt regelmäßig.
Danke.
Herzliche Grüße
Angelika
Hallo Angelika,
freu mich, wenn du ab und zu meinen Blog besuchst und mich weiterempfehlen kannst.
Hallo Andreas,
ein wunderschöner Bericht, da macht Lesen Freude und bei den wundervollen Bildern möchte man am liebsten gleich losgehen. Kompliment!
Liebe Grüße
Pierre
Hi Pierre,
danke für das Kompliment. Ich wünsche Dir weiterhin viel Freude beim Lesen und Schauen
Viele Grüße
Andreas
Lieber Ludwig,
das ist genau das, was ich erreichen möchte mit diesem Blog. Dir und anderen eine Freude machen, Lust zum Schauen und Lesen bereiten. Besuche bitte wieder mein Blog und empfehle mich weiter. Dies würde mich freuen.
Andreas
Griaß di Andreas,
der Bericht vom Lechweg mit vielen aussagekräftigen Bildern und dem Video ist ein Meisterwerk, gratuliere! den kann man nicht, sondern muß ihn weiter empfehlen. Weiter so.
Ludwig