»Jeder Mensch bringt Kreativität mit auf die Welt. Einfallsreichtum ist für Kinder von Geburt an selbstverständlich. Sie fügen Teile und Elemente ideenreich zusammen, die scheinbar nicht zusammengehören. Der Mensch hat sich immer mit Kunst beschäftigt. Er hat Sachen aus ästhetischen, rituellen oder aus persönlichen Erinnerungsgründen einen Wert beigemessen. Aus der Frühgeschichte kennt man klassische Gegenstände, die an vielen Orten gefunden wurden. Seltenheit hatte große Bedeutung, Pflanzen und Früchte waren Sammelobjekte. Sie dienten nicht nur der Nahrungsaufnahme, sondern zum Tausch für andere Sachen. Materialien, die eine Kommunikation oder soziale Beziehung schaffen, haben einen höheren Gegenwert, als rein gegenständlichen Elemente. Wir kennen das von Bernstein, von ungewöhnlichen Steinen und von Mineralien«, erklärt Stefan Wimmer, Direktor der Kunstakademie Bad Reichenhall.
Industriedenkmal – Alte Saline Bad Reichenhall

Kunstakademie Bad Reichenhall – ist jeder ein Künstler?
»Jeder ist ein Künstler« Zitat von Joseph Beuys:
Er war der Ansicht, jeder Mensch ist zu kreativer Leistung fähig. Wenn dieses, mitunter verschüttete Potenzial mehr entwickelt würde, dann wäre die Welt ein besserer Ort.
Stefan Wimmer von der Kunstakademie Bad Reichenhall macht mit uns ein kleines Experiment. Wir haben 15 Minuten Zeit, um Material für ein Objekt zu sammeln. Schnell finden wir brauchbare Teile. Ein Kleiderbügel, eine Rolle Klopapier und eine leere Tasse, aber auch eine zerdrückte Zigarettenschachtel und ein Nagel wird herbeigeschafft. Im Innenhof der Alten Saline liegt ein herzförmiges Lindenblatt, das meine Aufmerksamkeit anzieht. Es fängt damit an, dass wir die Gegenstände präsentieren und ihnen eine persönliche Bedeutung geben. Dieter legt seine Sachen auf den Tisch: »Kleiderbügel, Klorolle, Porzellantasse«. Er erklärt, warum er dies auswählte, was es ihm bedeutet und wie es zusammenpasst. Was steht im Vordergrund und welche Botschaft wird vermittelt?
Leicht vorgebeugt, die linke Hand am Unterkinn, schreitet Herr Wimmer langsam vor dem Tisch hin und her und überlegt: »Was hat das Objekt für eine Aussage? Was passiert, wenn wir die Gegenstände verschieben und die Beziehung untereinander verändern? Was ist die Aussage, wenn das Werk an anderer Stelle präsentiert wird? Welche Assoziationen entstehen beim Betrachter?« Wir hören aufmerksam zu. Die Gegenstände bekommen ihren Sinn und ihren Wert durch persönliche Bedeutung, die wir ihnen zuschreiben.
Kunstakademie Bad Reichenhall für Gäste und Einheimische
Kreativität ist eine Energiequelle, die allen zur Verfügung steht. Die Kunstakademie Bad Reichenhall gibt den Teilnehmern in Seminaren und Meisterkursen Anregungen ihr Talent zu fördern. Nicht jeder beabsichtigt seinen Alltagsberuf zu verlassen, um als Künstler zu arbeiten. Die einen streben an, neue Techniken und Fertigkeiten zu erlernen. Andere haben das Ziel nach Selbstverwirklichung in der Kunst. Beides ist möglich. Von den Teilnehmern werden, außer bei Meisterkursen, keine Vorkenntnisse erwartet.
Rosa Loy & Neo Rauch
Begegnung mit großen Künstlern
Bei Meisterkursen ist es erforderlich, dass sich die Teilnehmer mit Arbeitsproben bewerben. Der österreichische Maler und Aktionskünstler Hermann Nitsch, der Maler und Bildhauer Markus Lüpertz und andere namhafte Künstler gaben in der Kunstakademie Bad Reichenhall Meisterkurse. Wir haben das große Glück der Künstlerin Rosa Loy bei einer Vernissage zu begegnen. Sie ist Malerin und Grafikerin und wird der »Neuen Leipziger Schule« zugerechnet. Ihr Mann, der international erfolgreiche Maler Neo Hanno Rauch, stellt liebevoll fest: »Ihre Bilder sind wie Heilpflanzen für mich!«
Mit einfachen Aktionen große Wirkung
Der Land-Art-Künstler Nils Udo wandert mit seinen Leuten in den Wald. Wimmer: »Meistens kommen sie keine zehn Meter weit. Dann steht er. Dann schaut er auf den Boden und stellt fest. Da ist schon alles. Ihm würde ein Quadratmeter Waldboden reichen, um eine Woche lang zu arbeiten. Für Nils Udo ist eine normale Wiese ein Kosmos an Möglichkeiten. Das ist ein Beispiel, was man in der Kunstakademie Bad Reichenhall und Umgebung erlebt. Erfahrene Künstler können mit wenigen Aktionen große Wirkung erzielen«.
Wir gießen eine Aluminiumplastik
Am Nachmittag zeigen uns die Künstler Manuel und Tobias Gruber, wie man eine Aluminiumplastik herstellt. Wir bekommen ein Stück Styropor und ein Messer in die Hand. Zuerst entwickeln wir die Idee für das Objekt. Dann zeichnen wir mit einem Filzstift Konturen auf das Styroporteil. Das war die erste Hürde. Mit gekonnten Strichen von Manuel Gruber nimmt mein Porträt dann schnell Gestalt an. Das Schnitzen in Styropor ist nicht schwierig. Die positive Form wird in einen Kasten mit Sandgemisch fest eingebettet. Tobias und Manuel Gruber schmelzen Aluminium und gießen es vorsichtig auf unsere Styroporteile. Das Styropor verdampft und eine silbrig glänzende Metallplastik füllt den entstandenen Hohlraum aus. Wir brauchen das Teil nur noch aus dem Sand buddeln, mit kaltem Wasser abkühlen und nachträglich mit einer Drahtbürste gründlich reinigen. Schon hatte ich mein erstes Werk mit Freude und einem Erfolgserlebnis in der Hand.
Für Tobias Gruber ist Kunst richtige Handarbeit. Begeistert erzählt er:
»Man nimmt einen Batzen Ton, formt ihn mit den eigenen Händen und nach zwei bis drei Tagen entsteht eine komplette Figur. Das ist einfach cool. Das ist nicht virtuell, das ist richtige Handarbeit«.
Künstler Tobias und Manuel Gruber
Was macht den Reiz der Kunstakademie Bad Reichenhall aus?
Mitten in Bad Reichenhall steht das Backsteingebäude der Alten Saline, sie ist ein Industriedenkmal aus dem 19. Jahrhundert. Die Ateliers der Kunstakademie Bad Reichenhall befinden sich in den ehemaligen Sudräumen der geschichtsträchtigen Gemäuer. Die Kombination von städtischer Atmosphäre und Naturlandschaft ist unverwechselbar. In der Altstadt von Bad Reichenhall stehen prachtvolle Jugendstil-Villen und Industriedenkmäler, die von der Geschichte Bad Reichenhalls erzählen. Hier haben einst Kaiserin Sissi, Sigmund Freud und Franz-Josef Strauss ihre Sommerfrische verbracht und dabei im Inhalatorium salzige Luft geschnuppert.
Die Kunstakademie Bad Reichenhall ist die größte Bildungseinrichtung für Erwachsene in Europa. Ab 1996 war es nur eine Sommerakademie, seit vier Jahren ist es eine Ganzjahresakademie. Das Angebot umfasst jährlich 140 Kurse von drei bis sechs Tagen, außer dem Meisterkurs, der acht bis vierzehn Tage dauert. Das Angebot richtet sich ebenso an Senioren und an Unternehmen, die ihren Mitarbeitern eine kreative Schulung zukommen lassen. Jedes Jahr besuchen über 1000 Gäste die Kunstakademie Bad Reichenhall und bilden sich weiter. Wimmer: »Das Ziel der Kunstakademie Bad Reichenhall ist das Bewusstsein aller Teilnehmer zu entwickeln. Es geht nicht darum, dass wir lehren, wie man Farben miteinander kombiniert. Wir wollen insgesamt eine Atmosphäre für Kunst schaffen und den Teilnehmern einen offenen Geist vermitteln. Der offene Geist entsteht durch Impulse der Dozenten und durch inspirierende Zusammenarbeit in den Kursen. Nicht zuletzt bildet die Naturlandschaft drumherum und die charmante Gründerzeit-Architektur von Bad Reichenhall das richtige Setting für Kunstschaffende«.
Mit nostalgischen Rundgondeln auf den Predigtstuhl
Wir fahren mit der Gondelbahn hoch, oben empfängt uns kühle Bergluft mit Latschenkiefernduft. Vom Gipfel aus hat man bei gutem Wetter klare Sicht auf Bad Reichenhall und in das Salzburger Becken. Im Süden zeigt sich König Watzmann und im Westen reicht der Blick bis zu den Chiemgauer und Tiroler Bergen.
Vergangenes Jahr feierte die Predigstuhlbahn ihren neunzigsten Geburtstag, sie ist somit die älteste Seilbahn der Welt. Eine Gondelbahn mit gläsernen Rundpavillons am Tragseil, die im Acht-Minuten-Takt jeweils 25 Gäste auf über 1100 Höhenmeter hoch katapultiert, gab es 1928 noch nicht. Die Predigtstuhl Seilbahn musste damals den geladenen Gästen wie ein Senkrechtstarter vorgekommen sein. Die Gondelbahn zählt zu den zehn spektakulärsten Seilbahnen der Welt. Am Eröffnungstag hatte Bad Reichenhall weltweite Medienpräsenz. Einst brachte sie in den beschaulichen Kurort den Aufschwung, der bis heute anhält. Dem Bergsteiger spart die Bahn mindestens vier Stunden schweißtreibende Aufstiegszeit. Vielen Feriengästen der Region erschließt die Predigtstuhlbahn die umliegende Bergwanderregion im Lattengebirge.
Predigtstuhlbahn Bad Reichenhall
Mit Olaf Unverzart eine Fototour am Predigtstuhl
Der Fotokünstler Olaf Unverzart nimmt uns für eine kurze Fototour mit. Normalerweise schleppt Olaf eine schwere Plattenkamera ins Gebirge, um zeitlose Bilder zu machen. Die Alpenidylle ist trügerisch. Olaf bringt uns bei, dass menschliche Spuren in den Alpen ihre eigene Geschichte erzählen. Die Wirklichkeit und der menschliche Einfluss in den Alpen sprechen eine deutliche Sprache, die ein talentierter Fotograf in dramatische Bilder übersetzten kann. Bei seinen Bildern braucht es keine großen Worte, um begreiflich zu machen, wie stark Kommerzialisierung und Landschaftsverbrauch die heutige Bergwelt verändern.
Im Anschluss daran besuchen wir das nostalgisch restaurierte Bergrestaurant der Predigstuhlbahn. Wir genießen auf der Terrasse die letzten warmen Strahlen der Nachmittagssonne, bevor wir ins Tal gondeln.

Kunstakademie Bad Reichenhall – mit Kreativität neue Lösungen entdecken
»Wir leben in einer Zeit, die mehr und mehr durchorganisiert und durchrationalisiert wird. Bald übernehmen Industrieroboter noch mehr Arbeit. Kunst bietet dafür eine echte Alternative. Deswegen brauchen wir viele Menschen, die kreativ sind. Unsere Zeit steht in einem hochdynamischen, gesellschaftlichen Umbruch. Politisch, wirtschaftlich und nicht zuletzt auf kultureller Ebene. Digitalisierung und künstliche Intelligenz fordern uns stärker denn je heraus. Es gibt unzählige Medien und eine Bilderflut wie nie zuvor. Was stellen diese Entwicklungen mit uns an? Wir nehmen die Welt heute anders wahr und reflektieren sie anders. Deswegen brauchen wir neue Wege und Lösungen, um die Zukunft zu gestalten. Neue Lösungen sind nur in einem kreativen Prozess zu entdecken, zu erleben und zu entwickeln. Wir müssen uns damit beschäftigen, was Kunst, Kreativität und die Schaffung von Bildern, die oft nur scheinbare Dokumente sind, mit uns machen«. Das gibt uns Stefan Wimmer von der Kunstakademie Bad Reichenhall zum Schluss mit auf den Weg.
Der Klosterhof Premiumhotel & Health Resort


Tipps:
Premium Hotel & Health Resort – Der Klosterhof
• Wir übernachteten im Premium Hotel & Health Resort – Der Klosterhof. Ein Haus mit 500jähriger Geschichte. Heute ist das ehemalige Kloster ein Hotel, gebaut aus Lärchenholz und mit Liebe. Henrike und Dr. Andreas Färber haben sich mit dem Klosterhof einen Lebenstraum erfüllt. Im Weinkeller lagern erlesene Topfen und die Spezialitäten des Hauses lassen keine Wünsche offen. Das Hotel liegt in idyllischer Waldrandlage, Kunst und Kultur sind wesentliche Bestandteile, in jedem Zimmer steht ein anderes Kunstwerk. Wer Ruhe und Erholung sucht, abschalten oder etwas für seine Gesundheit tun möchte, ist hier bestens aufgehoben. Der promovierte Arzt Dr. Andreas Färber legt den Schwerpunkt seines Angebotes auf ganzheitliche Gesundheitsförderung und Regeneration. Ich habe mich wohl gefühlt und empfehle das Hotel gerne weiter.
Eine Gondelfahrt mit der Predigstuhlbahn
• Eine mit der Predigtstuhlbahn ist empfehlenswert. Leichte Wanderwege führen in die Umgebung und zur Almhütte Schlegelmulde. Die große Sonnenterrasse, der Panoramablick und das nostalgisch renovierte Bergrestaurant an der Predigtstuhlbahn lohnen die Auffahrt.



Stadtführung durch die Salzstadt Bad Reichenhall
• Auf einer Stadtführung erlebt man die Kurstadt mit prächtigen Jugendstil-Villen der Gründerzeit aus einer neuen Perspektive. Wir flanieren durch die Kuranlagen und kommen zum Freiluft-Inhalatorium, das aus der Jahrhundertwende stammt. An einem der vielen Brunnen der Salinenstadt darf man sich erfrischen. Unterwegs erklärt die Stadtführerin die faszinierende Geschichte der Stadt, von der Salzgewinnung bis in die heutige Zeit.
