Das Interesse für Pflanzen und Heilkräuter wurde Susanne Türtscher in die Wiege gelegt. Ihr Vater nahm sie mit auf lange Wanderungen durchs Hochgebirge, rund um die Rote Wand, bis in die hintersten Winkel des Grossen Walsertals. Erst als Erwachsene wurde Susanne bewusst, warum ihr der Vater damals die vielen kleinen und oft unscheinbaren Pflanzen und Heilkräuter am Wegrand zeigte und erklärte.
Kraft der Natur. “Plötzlich hatte ich ein Bild oder ein Gefühl in mir, ich komme in eine Kathedrale mit zehn Türen. Ich trete ein, und es kommt wieder ein anderer Raum mit vielen neuen Türen. Es öffneten sich auf einmal so viele Bereiche.“
„Niemand sät oder pflanzt – und sie blühen doch!“
Heute weiß Susanne, dass im Klesenzatal eine Artenvielfalt wie sonst nirgendwo zu bewundern ist. Pflanzen und Heilkräuter sind in der wilden Natur sich selbst überlassen, sie trotzen Wind und Wetter, mineralreicher Boden und hohe UV-Strahlung geben Kraft. Im Hochgebirge bilden Pflanzen einen gedrungenen Habitus. Ihre Farben sind intensiver und sie bilden mehr Inhaltsstoffe und ätherische Öle als Pflanzen im Tal. In das Klesenzatal führt eine enge Brücke über den Fluss. Traktoren mit Mist kommen selten hier hoch. Hier sind noch artenreiche Mager- und Trockenwiesen mit ganzer Vielfalt erhalten geblieben.
Oft war ich mit Experten auf botanischen Exkursionen durch die Allgäuer Berge. Botaniker nähern sich der Pflanze wissenschaftlich. Sie analysieren und untersuchen die Pflanzen nach Merkmalen an Blättern und Blüten, um sie eindeutig identifizieren und benennen zu können. Apotheker interessieren sich mehr für Inhaltstoffe und deren Heilzwecke. Ein Koch denkt an Aromastoffe, oder ob sie essbar ist, wie sie schmeckt und wozu sie passt .
Dabei wird leicht übersehen, so sagt Susanne Türtscher, dass Pflanzen und Heilkräuter noch eine andere Dimension haben, die nur mit der Seele gefühlt werden kann. Hier überschreiten wir die Schwelle von der sichtbaren zur unsichtbaren Welt. Damit kommen wir in einen geheimnisvollen Bereich: Unsere Ahnen haben ganz selbstverständlich die Heilkraft der Pflanzen zu nutzen gewusst.
Lernen im Buch der Natur
Susanne Türtscher begegnet Heilkräutern auf einer tiefen, sinnlichen Ebene, die weit über das rational messbare und sichtbare hinausgeht. Ich könnte Susanne stundenlang zuhören, wenn sie von Kräutern und Heilpflanzen spricht. Wenn sie von ihren Beobachtungen erzählt, wie sie vieles selbst aus dem „offenen Buch der Natur“ lernen durfte. “Früher ist mit Heilkräutern eine ganze Lebenshaltung verbunden gewesen. Bauern nutzten Heilkräuter im Jahreskreislauf für Familie und Tiere im Stall. Alles hatte seine Zeit, man achtete auf die kosmische Ordnung: Es gab eine Zeit der Geburt, des Werdens und Wachsens. Eine Zeit der Reife, des Erntens und eine Zeit der Ruhe. Die Menschen lebten noch im Rhythmus der Natur, den alle Lebewesen in sich tragen. Heute sind wir weit davon entfernt. Die starke Kraft, die Heilkräuter uns schenken, und altes Wissen möchte ich in Kräuterwanderung nutzen und weitergeben.“
Begegnung mit der Pflanzen und Heilkräutern
Die Einheimischen wurden vom Biosphärenpark Großes Walsertal aufgefordert, Projekte einzureichen, die zum Schutzgebiet passen. Heilpflanzen waren Susannes Welt, da lag es nahe, ein Projekt über Heilkräuter und Pflanzen zu starten. Eine Gruppe Frauen des Walsertales gingen in Klausur, um sich näher mit diesem Thema auseinanderzusetzen und um zu sehen, was sich daraus entwickeln lässt. Das war der Beginn der „Alchemillafrauen“ im großen Walsertal.
Die „Alchemilla – Alchemilla vulgaris“, der Liebfrauenmantel wurde zu ihrem Markenzeichen. Das Blatt der Alchemilla sieht aus wie der Mantel der „Schutzmantelmadonna“, die manchmal in Kapellen zu finden ist.
In der Gruppe haben unterschiedlichste Charaktere des Tales zueinander gefunden. Das Verbindende: die Heilpflanzen und ein Credo, ein Ideal, das wie ein roter Faden die Gruppe der „Alchemillafrauen“ zusammenhält.
Welche Pflanze passt zu mir?
Auf Medizinwanderungen schickt Susanne die Teilnehmer für drei bis vier Stunden hinaus. Dabei sollen sie herausfinden, welche Pflanze sie besonders anzieht. Symbolisch wandern sie dabei über eine Schwelle, in neue innere Räume von der sichtbaren in die unsichtbare Welt der Seele. Bei dieser intensiven Begegnung spiegelt die Pflanze die Frau und umgekehrt. Dabei kommt sie in Resonanz mit etwas, was auf einen Anker in ihrem Unterbewusstsein trifft. „Wenn die Frauen zurückkommen, bringen sie häufig berührende Geschichten ans Licht. Alles was erzählt werden möchte oder erzählt werden muss, darf sein“, sagt Susanne.
Auch die „Alchemillafrauen“ des Walsertals wagten dieses Experiment. So fand jede ihre Spiegelpflanze, mit der sie sich verbunden fühlt. Über diesen kleinen Umweg lernten sie neue Aspekte kennen. Warum gerade dieses Pflänzlein und kein anderes? Bin ich noch auf dem richtigen Weg? Wer bin ich? Warum bin ich auf der Welt? Was habe ich noch für Aufgaben zu erfüllen?
Heilkräuter – Natur als Therapie
Wer die Symbolsprache der Natur lesen kann, erfährt viel über sich selbst. Alles ist mit allem verbunden. Leben und Sterben liegen eng beieinander. Der Mensch ist Teil der Natur und den gleichen Gesetzen unterworfen. Das Gehen in die Natur konfrontiert uns mit uns selber. „Heilung ist mehr und größer als nur gesund zu werden. Die Natur ist Therapeutin. Sie hält uns einen Spiegel vor, sie ist die eigentliche Lehrerin, die uns unterrichtet, die uns Weisungen gibt, die uns was erzählt, uns lockt und herausfordert. Die Natur führt uns wieder in eine andere Ruhe und Gelassenheit, und sie reinigt uns,“ sagt Susanne.
Alte Walser erzählen
Vor zehn Jahren wurden alte Walserinnen und Walser eingeladen, um zu berichten, welche Heilkräuter früher im Tal verwendet wurden. Der Bergbauer Anton Türtscher hatte ein Schächtelchen mit getrockneten Meisterwurz -Wurzeln mitgebracht und zündete eine davon an. „Mit dieser Wurzel hat man früher den Stall ausgeräuchert, und wenn im Haus eine Leich aufgebahrt war, dann haben Trauergäste eine getrocknete Meisterwurz auf den Ofen gelegt, um das Haus auszuräuchern“. Räuchern und Palmboschen verbrennen sind tief in der Volksfrömmigkeit verankert. Auch heute noch wird im Walsertal und in den benachbarten Tälern des Montafon und Bregenzerwaldes geräuchert.
Heilkräutergärten im Walser Bergdorf Buchboden






















Mein Tipp:
Susanne Türtscher bietet Seminare und begleitet Menschen durch den Jahreskreis im Spiegel der Natur. Sie verbindet ihr Kräuterwissen mit alter Volksheilkunde, mit Ritualen in der Natur, mit Poesie und Naturerlebnis.
Im Buch “Die Heilkraft der Natur: Kräuter, Mythen und Rituale im Jahreskreis” von Susanne Türtscher und Anselm Grün geht es um Pflanzen für Leib und Seele. Nicht nur Inhaltsstoffe und Essenzen sind heilsam, sondern auch die Pflanzensymbolik. Natur und Pflanzen sprechen uns im Innersten, tief in unserer Seele an. Die Heilpflanzen-Expertin Susanne Türtscher und der Benediktinermönch Pater Anselm Grün bringen Ihnen die Weisheit der Natur und ihre Mythen nahe.

Im Gasthof Hotel Kreuz in Buchboden habe ich übernachtet. Margot und Georg Türtscher servieren Ihnen vorzügliche, regionale Gerichte. Das reichhaltige Frühstücksbuffet lässt keine Wünsche offen. Das Haus ist idealer Ausgangspunkt für Wanderungen in den Biosphärenpark Großes Walsertal. Von hier aus können Sie leichte und längere Bergwanderungen machen u.a. ins Gadental, zur Alpe Oberüberlut, ins Klesenzatal oder eine längere Tour rund um die Rote Wand. Das Haus bietet als kostenlosen Service den Transfer zu nächsten Bushaltestelle an.


Danke für die gute Organisation vor Ort an Vorarlberg- und Bludenztourismus
Hallo Andreas,
wie immer schön geschrieben und fotografiert, ABER ich würde am Anfang des Textes unter der Überschrift schon mal ein Bild zeigen, um Appetit zu machen. Ich dachte erst es kommt nur Text … Aber ist auch nur meine Meinung.
Weiter so und alles Gute,
Thomas.
Hallo Thomas,
danke für Deinen konstruktiven Beitrag. Das war zuerst auch meine Überlegung, nun habe ich es geändert und finde es so auch besser.
Sonnige Grüße Andreas