Auf Pilgerpfaden durch den Pfaffenwnkel. Gnadenkapelle Mariä Himmelfahrt am Hohen Peissenberg.

Heilige Landschaft Pfaffenwinkel: Auf Pilgerpfaden durch den Pfaffenwinkel

Wir pilgern mit Gabriele Hoss-Reinhard für zwei Tage auf dem Westweg durch die »Heilige Landschaft Pfaffenwinkel«. Gabriele ist Expertin fürs Pilgern. Jedes Jahr ist sie über 1000 Kilometer zu Fuß auf verschiedenen Pilgerpfaden unterwegs. Den 76 Kilometer langen Pilgerpfad »Wilde Flüsse« kennt Gabriele bestens. Gepäck braucht sie wenig, ihre Gitaline und ihr Pilgerbuch ist mit dabei. 

heilige Landschaft Pfaffenwinkel - Georgiritt am Auerberg.
Heilige Landschaft Pfaffenwinkel – Georgiritt am Auerberg.

 

Pilgern im Pfaffenwinkel

Es regnet. Wind bläst uns ins Gesicht und steigert sich zum Orkan. Meine Landkarte flattert davon, wir kämpfen mit der Regenschutzkleidung gegen die Windböen. Am Vorbeigehen sehe ich ein Breitwandfoto, welches erahnen lässt, wie prächtig der Ausblick vom Hohen Peißenberg ist. Zunächst laufen wir entlang der Wetterstation, bald tauchen wir in den bayerischen Nebelwald ein. Der Pfad führt über Stock und Stein bergab. Kräftige Buchenwurzeln krallen sich am Rand eines Hohlweges fest. Wir eilen durch den Wald, Buchenlaub raschelt wie Pergamentpapier unter den Füßen. Bevor wir in einer Wiese ankommen, scheuchen wir ein Reh auf. Gabriele kniet bei diesem Schmuddelwetter nieder und deutet auf ein winziges, dunkelblaues Blümchen, dass sich im Gras versteckt. Dafür nimmt sich Gabriele Zeit, denn »Gottes Schöpfung zeigt sich nicht nur bei Sonnenschein«. Wir richten unsere Wahrnehmung und Aufmerksamkeit auf die Natur. Geräusche des Windes und das Rauschen des Fichtenwaldes begleiten uns durch den Pfaffenwinkel.

Bei Wind und Wetter durch den Pfaffenwinkel pilgern

Pilgern im Pfaffenwinkel: »Wenn nichts mehr geht, dann geh!«

Wir machen Halt. Gabriele spielt mit der Gitaline und versucht uns geschickt vom aufreibenden Alltag weg zu locken. Langsam gleiten wir in den Pilgermodus und lassen uns gern darauf ein. Mit nachdenklichen Texten hilft Gabriele, die eingefahrene Routine zu hinterfragen und neue Denkanstöße zu geben. Es geht um Achtsamkeit, Gefühl und um Wahrnehmung. Zwischendurch halten wir inne, lauschen Gabriele zu oder wandern still hintereinander her. Wir wechseln den Blick auf unser Leben und betrachten es aus einer anderen Perspektive. Pilgern hat eine psychologische Wirkung. Was kann ich loslassen? Welche Grenzen behindern mich oder welche Grenzen sind auf einmal verschwunden. Dabei helfen Impulse und Symbole der Natur, die man für sich deuten kann.

Am Fluss entlang durch die Ammerschlucht

Wir steigen hinunter in die Ammerschlucht und wandern am Fluss entlang weiter. Die Ammer entspringt in vielen Quelltöpfen im Weidmoos bei Oberammergau. Dann fließt sie durch den Canyon der Ammerschlucht, um nach etlichen Kilometern in den Ammersee zu münden. Über Wendungen und Engpässe folgen wir dem Lauf der Ammer bis zum Kalkofensteeg. Dahinter steigt der Pfad am Rande einer Kalksinterterrasse aufwärts. Wir kommen in die sog. Ammerleite. Dieser schmale, mit vielen Holzstegen und Treppen versehene Pfad ist bei Nässe mit Umsicht zu begehen. Er führt uns über 250 Höhenmeter aus der Ammerschlucht hinaus. In Kürze sind wir in Rottenbuch am Zielort des ersten Tages.

Mönche prägten die Kultur- und Kunstlandschaft des Pfaffenwinkel

Im fünften Jahrhundert kamen Benediktiner, Prämonstratenser und Augustiner Chorherren in diese damals wenig besiedelte Region. Es blieb ihnen keine andere Wahl als den dichten Urwald zu roden, wenn sie Ackerbau betreiben wollten. Fast nirgends haben prachtvolle Klöster und Abteien eine Landschaft stärker geprägt als im Pfaffenwinkel. Die Klosterbrüder brachten Kunst und Kultur ins Voralpenland und entwickelten eine reichhaltige Kulturlandschaft. Den schönsten Ausblick auf den Pfaffenwinkel genießt man vom Gipfel des Hohen Peißenberg (988m). 

Pfaffenwinkel-Kirchenführung in Rottenbuch

In Rottenbuch beenden wir den erlebnisreichen Tag mit einer abendlichen Kirchenführung. Am Eingang der Pfarrkirche Mariä Geburt erwartet uns der junge Priester Josef Fegg mit einer Taschenlampe. Es ist kalt und dunkel. Eine einzige rote Kerze flimmert im Kirchenschiff. Zuerst beleuchtet der Priester mit einer Taschenlampe den Taufstein zur Linken, der die Geburt symbolisiert. Danach richtet er seinen Lichtstrahl zur barocken Pieta, die den Tod versinnbildlicht. Dazu erklärt er:

“Dazwischen ist eine Zeitspanne, länger oder kürzer – wissen wir nicht. Geburt und Tod sind die Eckpfeiler menschlichen Lebens. Jetzt kommt die wichtige Frage: Was machen wir zwischen Geburt und Tod? Das ist die Herausforderung.”

Josef Fegg
Pfarrer Wallfahrtskirche in Rottenbuch Josef Fegg
Pfarrer Wallfahrtskirche in Rottenbuch Josef Fegg

Still und nachdenklich stehen wir Pfaffenwinkel-Pilger mittendrin. Den ersten Tag beenden wir mit einem Lied und einer Meditation in der Wallfahrskirche.

Pilgern im Pfaffenwinkel – Rottenbuch bis Steingaden

Am nächsten morgen erwartet uns im Pfaffenwinkel ein sonniger Herbsttag. Wir wandern an Dorflinden vorbei durch den Torbogen von Rottenbuch in Richtung Wildsteig. Der Weg ist leicht, verläuft teils über hügeliges Gelände und schmale Feldwege bis zur Wieskirche. Eindrucksvoll präsentiert sich der herausgeputzte Ort vor dem Alpenpanorarma. Am Kirchbichl von Wildsteig  kommen wir an der gigantischen, aus Tuffstein gebauten Lourdesgrotte vorbei.

Glücksmomente im Pfaffenwinkel

Nachdem sich die Morgennebel verziehen, zeigen sich die Konturen der sanften Voralpenhügel. Ein tiefes Glücksgefühl kommt auf, wenn das Morgenlicht herauskommt und die Sonne über der Landschaft des Pfaffenwinkel höher steigt. Eine wohltuende Ruhe überträgt die Landschaft des Pfaffenwinkel auf mich. Aus kleinen Dörfern des Pfaffenwinkel ragen Kirchtürme heraus. Moränenhügel stapeln sich hinter- und übereinander. Spiegelnde Seen, Wiesen, Wälder und dampfende Moore liegen dazwischen.

Seit Jahrhunderten pilgern Menschen zu heiligen Stätten

Die meisten pilgern zu Fuß und suchen eine Auszeit, um die eigene Mitte und zur Spiritualität zu finden. Pilgern ist eine Möglichkeit, dem Alltagstress zu entkommen und Energie zu tanken. Alleine oder in Gemeinschaft lassen sich neue Erfahrungen sammeln. Es spielt keine Rolle, ob jemand aus christlicher Überzeugung pilgert oder ohne Glaubensrichtung. Seit Hape Kerkeling das Buch »Ich bin dann mal weg« über den Jakobs Pilgerweg schrieb, ist pilgern in Mode gekommen. Der Jakobsweg war im Mittelalter beliebt und ist bis heute die Königsklasse unter den Pilgerwegen. Der Pilgerweg durch den Pfaffenwinkel ist kürzer und bietet viel Abwechslung.

Die Wieskirche im Pfaffenwinkel

Aus der Ferne sehen wir den Turm der Wieskirche aus den Wäldern ragen. Jahrhundertealte Lindenbäume säumen die letzten Meter zur Wieskirche. Die Konturen des Kirchendaches nehmen die Form des dahinterliegenden Bergpanoramas auf. Die einsam in der Voralpenlandschaft gelegene Wieskirche zieht Gäste aus aller Welt an. Die Brüder Dominikus und Johann Baptist Zimmermann aus Wessobrunn bauten im Jahre 1745-1754 die Wallfahrtskirche zum “Gegeißelten Heiland”, die heute Wieskirche genannt wird. Licht und Helligkeit im Innenraum lösen beim Kirchenbesucher Glücksmomente und Begeisterung aus. Vergoldete Heiligenstatuen, pastellfarbene Fresken im Kirchengewölbe, kunstvolle Stuckarbeiten und die Orgel faszinieren mich. Die Künstler malten die Fresken geschickt an die Kirchendecke, dass der Betrachter meint, in ein großes Kirchengewölbe zu schauen. In Wirklichkeit ist es eine flache Decke. Seit 1983 ist die Wieskirche aus der Zeit des Rokoko UNESCO-Weltkulturerbe.

Der Wiespfarrer Monsignore Gottfried Fellner erzählt uns vom »Wunder der Wies«. Hinter dem Altar haben Gläubige Votivtäfelchen mit frommen Wünschen und ihren Alltagssorgen angebracht, versehen mit der Bitte um göttlichen Beistand. Es soll weiterhin »Wunder« in der Wieskirche geben, aber der Pfarrer redet nicht gern darüber. Eine Kirchenführung ist für jeden Besucher zu empfehlen. Die Vielzahl der Kunstwerke wahrzunehmen und einzuordnen fällt mir schwer. Der Wiespfarrer hat es verstanden, uns auf herausragende Einzelelemente dieser Rokokokirche zu fokussieren. Zum Abschluss spielte Organist Franz Brannekemper für uns die “Air aus der Wassermusik von Händel”.

Fotoimpressionen der Wieskirche

Pfaffenwinkel- auf dem Brettleweg durch Moore und Filzen

Nach dem Wieskirchenbesuch stärken wir uns nebenan im Gasthaus Schweiger mit Schweinsbraten und Knödel. Wir pilgern weiter durch den Pfaffenwinkel, über den schmalen Brettleweg, durch das Wiesfilz und über stille Feld- und Waldwege bis nach Steingaden. Unsere Pilgerwanderung endet im Steingadener Klostergarten. Etwas matt vom langen Wandern sinken wir auf eine Holzbank. Der neu angelegte Klostergarten ist eine Oase der Ruhe. Das große Steinlabyrinth vor mir zieht meine Aufmerksamkeit an. Mit den Augen versuche ich den vielen Windungen des Labyrinths, bis ins Zentrum zu folgen.

Klostergarten in Steingaden

Heilige Landschaft Pfaffenwinkel -Steinlabyrinth im Klostergarten Steingaden
Heilige Landschaft Pfaffenwinkel – Steinlabyrinth im Klostergarten von Steingaden
Kreuzgang des Prämonsteratenserklosters in Steingaden - Heilige Landschaft Pfaffenwinkel -
Heilige Landschaft Pfaffenwinkel – Kreuzgang des Prämonstratenserklosters in Steingaden
Heilige Landschaft Pfaffenwinkel - Schmiedekunst im Klostergarten Steingaden
Heilige Landschaft Pfaffenwinkel – Schmiedekunst von Frau Marion Werner im Klostergarten Steingaden

Fazit: 

Meine zwei Wandertage auf dem Westweg der Pfaffenwinkel-Wander-Wege, waren ein Erlebnis mit Kulturhöhepunkten und imposanter Natur. Zufrieden kehre ich heim. Pilgern ist Wandern und doch nicht Wandern. In Zukunft nehme ich mir vor, spontaner zu sein. Will mich nicht mehr so schnell vom Wetterbericht zurückhalten lassen. Will weniger planen, kein Handy mehr mitnehmen und vorher keine App mehr ansehen. Lasse mich lieber vom Weg und von Begegnungen überraschen. Ich komme wieder, das ist sicher.

Wallfahrtskirche St. Georg auf dem Auerberg

Heilige Landschaft Pfaffenwinkel - Pilgern im Pfaffenwinkel. Georgiritt auf dem Auerberg
Heilige Landschaft Pfaffenwinkel – Pilgern im Pfaffenwinkel. Georgiritt auf dem Auerberg

Pilger-Wander-Wege im Pfaffenwinkel

Die Pilgerwege im Pfaffenwinkel bieten sich für kurze Auszeiten an. Sie verlaufen streckenweise auf dem Jakobsweg und die Tagesetappen lassen Zeit für Verschnaufpausen. Prachtvolle Barock- und Rokokokirchen, geschichtsträchtige Klöster laden den Pilger zur Besichtigung ein. Die Pfade schlängeln sich zu Quellen, führen entlang weiter Moor- und Seenlandschaften, sowie in Flusstäler. Ausgangspunkt für alle drei Rundtouren ist die Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt auf dem Hohen Peißenberg.

Die Pilgerwege im Pfaffenwinkel sind empfehlenswert. Am meisten profitiert man von der Pilgerwanderung mit einer ausgebildeten Pilgerführerin.

Heilige Landschaft Pfaffenwinkel, jede Pilgerroute hat ihre Besonderheiten:

Sprudelnde Quellen: Die Nordschleife führt in sieben Etappen vom Hohen Peißenberg über Wessobrunn nach Andechs, weiter über Weilheim und Polling zum Hohen Peißenberg.

Spiegelnde Wasser: Die Ostschleife in acht Tagen erwandern. Vom Hohen Peißenberg über Weilheim nach Bernried, Seeshaupt und an den Starnberger See. Von dort nach Benediktbeuren, Iffeldorf, Huglfing und zurück.

Wilde Flüsse: Sechs Tage dauert die Tour im Pfaffenwinkel entlang der Westschleife. Vom Hohen Peißenberg führt der Pfad hinunter in die Ammerschlucht, dann immer den Fluss entlang bis Rottenbuch, weiter über Wildsteig zur Wieskirche und bis nach Steingaden. Bald folgt der Aufstieg zum Auerberg und wieder zurück zum Kirchlein am hohen Peißenberg.

Anreise: Mit der Bahn via München nach Peißenberg und an der Haltestelle Hohen Peißenberg aussteigen. Danach in einer knappen Stunde auf den Hohen Peißenberg wandern. Wer sich den Aufstieg sparen will kann auch ein Taxi nehmen.

Tipp: Auf dem Hohen Peißenberg ist die älteste Wetterstation der Welt. Seit dem 01. Januar 1781 messen Wettterxperten im nahe gelegenen Meteorologischen Observatorium täglich die Wetterdaten. Mit Stratosphärenballons sammeln sie heute Klimadaten und Ozonwerte. Zeitweise sind 50 Wissenschaftler hier oben, um die gewonnenen Daten für das Klima auszuwerten. Der nahegelegene Bergwetterweg dauert 15 Minuten und ist einen Abstecher wert.

Kontakt:
Pilgerführungen durch den Paffenwinkel

Weitere Informationen:
Tourismusverband Pfaffenwinkel


Pilgern- Heilige Landschaft Pfaffenwinkel

.

Teile diesen Beitrag

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

This function has been disabled for Lust auf NaTour.