Magerwiese im Günztal

Bayern: Die Wiesenlandschaft im Günztal ist eine Augenweide

Mein Weg führt durch flache Wald- und Wiesenlandschaft. Am Horizont zeigen sich die schneebedeckten Allgäuer Alpen als Blickfang. Unerwartet stehe ich nach einer Wegbiegung vor einer blühenden Margeritenwiese. Die Günztal Stiftung hat Feuchtwiesen angekauft um sie als Lebensraum für die Zukunft zu erhalten. Die Feuchtwiesen, Streuwiesen, Mager- und Trockenstandorte an der Günz bieten mir einen Augenschmaus und für Insekten eine Futterquelle. Auf feuchten Standorten in Bachnähe gedeihen Trollblumen,  Labkraut, Wiesenbocksbart, Lichtnelken, Klappertopf und Wildorchideen. Außerdem gedeihen hier Pflanzen- und Tierarten, die auf der Roten Liste stehen: Die Bachmuschel, Zierliches Wollgras, der Sumpf-Glanzkraut sowie der Frauenschuh, die Helm-Azurjungfer, der Kammmolch und die Gelbbauchunke.

Weitere Raritäten sind die Bayerische Quellschnecke und der Wiesenknopf-Ameisenbläuling. Das Bayerische Löffelkraut (Cochlearia bavarica) ist eine endemische Art, die im Günztal ihr letztes Refugium hat. Ein leichter Wanderweg zwischen Obergünzburg und Ronsberg, führt mich im weiten Bogen um das Östliche Günztal. Auf diesem Rundweg lerne ich meine Heimat besser kennen. Gebietsbetreuer Peter Guggenberger von der Günztal Stiftung, zeigt mir ökologische Zusammenhänge und erklärt was diese Region ökologisch wertvoll macht.

Mitten durch das liebliche Tal schlängelt sich die Günz

Der schmale Bachlauf ist gesäumt von kleinteiliger Wiesenlandschaft, an deren Rand sich bewaldete Hügel erheben. Im Günztal stehen Einzelhöfe, manchmal sehe ich eine verlassene Mühle oder ein modernes Kleinkraftwerk. Die Günz mit allen verzweigten Seitenbächen sowie mit zuströmenden Wasserläufen gilt als längstes Bachsystem Bayerns. Sie stellt mit ihrem 92 Kilometer langen Lauf eine biologische Brücke vom Alpenvorland bis zur Donau her. Tier- und Pflanzenarten nutzen die Biotope im Günztal als Wanderkorridor. Die Westliche Günz entspringt bei Untrasried, die Östliche bei Günzach im Ostallgäu. Beide Seitenarme vereinigen sich am Ort Lauben. In umliegenden Hangwäldern finden sich viele Kalktuffquellen. Biotope, Feuchtwiesentäler sowie Flussmäander charakterisieren das liebliche Günztal.

Fotoimpressionen vom Günztal

Weg zur Teufelsküche

Vom Parkplatz bei der Schlossmühle Liebenthann wandere ich bergauf in Richtung »Teufelsküche«. Diese geologische Sehenswürdigkeit besteht aus gigantischen Nagelfluhbrocken. Der eiszeitliche Illergletscher hat auf dieser Seitenmoräne Schotterschichten im Günztal abgelagert. Die oberen Schichten haben sich zu felsigem Konglomeratgestein verdichtet und kamen auf weichem Sediment ins Rutschen. Heute liegen die Felsbrocken verstreut im Wald. Sprießt ein Baumsamen auf einem dieser moosbewachsenen Nagelfluhbrocken, bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich bis zum Lebensende daran festzuhalten. Alte Buchen und Fichten klammern ihre verholzten Wurzeln wie Riesenfinger um den Nagelfluhstein.

Die »Teufelsküche« im Günztal gehört zu den 100 schönsten Geotopen Bayerns. Für Wanderer ist die Felssturzlandschaft ein Highlight am Wegesrand. Für Familien mit Kindern ist dieser sagenhafte Ort ein willkommener Abenteuerspielplatz.

Nach der Teufelsküche führt ein Forstweg durch den Mischwald bis nach Ronsberg. Ich überquere auf einer Brücke die Günz und wandere auf der anderen Talseite zurück.

Im Liebenthanner Wald im Günztal

Bevor ich die Schlossmühle erreiche, mache ich einen Abstecher zum Liebenthanner Forst. An der Buchhalde treffe ich zufällig Revierförster Georg Schön. Gern mache ich unterwegs einen Schwatz mit Zufallsbegegnungen. Dies eröffnet mir andere Blickwinkel. Es ist ein sonniger, heißer Tag geworden, Herr Schön hat Angst um seinen Waldbestand. Der Revierförster sucht nach abgestorbenen Bäumen: »Bei Hitze vermehren sich Borkenkäfer explosionsartig. Die vom Borkenkäfer befallenen Stämme müssen schnell gefällt werden, bevor die Larven schlüpfen und flügge werden« .

Ich erfahre, dass im Liebenthanner Wald eine der größten Rotbuchen Bayerns steht. Sie gedeiht in geschützter Hanglage und muss sich nach dem Licht strecken. Dieser zweihundertjährige Baum ist 47 Meter hoch, hat einen Stammumfang von über vier Metern sowie ca. 30 Festmeter Holz. Mehrere hohe Fichten, Ahorne und Eschen stehen gleich daneben. »Hier wird nichts angerührt. Die Riesenbäume stehen unter meinem persönlichem Schutz. Nur wenn Gefahr vom Borkenkäfer droht, muss ich eingreifen«, sagt Schön. Nach unserem kurzen Plausch suche ich im Wald die Reyverdys-Quelle.

Kalktuffquellen im Hangwald

Im Oberlauf der Günz gibt es reizvolle Kalktuffquellen. Kleine Rinnsale, die über moosbewachsenes Kalktuffgestein plätschern, zeigen mir den Weg zur versteckt gelegenen Reyverdys-Quelle. Das Quellwasser sprudelt ganzjährig mit gleichbleibender Temperatur von 8-9 Grad Celsius aus dem Boden. Das zieht viele Organismen an. In der Umgebung mischt sich Grundwasser mit oberflächlichem Wasser. Das ist ideal für den bizarr aussehenden Winterschachtelhalm, der im lichten Buchenwald gedeiht.

Intensivierung der Landwirtschaft im Günztal

In früheren Zeiten gab es im Günztal überwiegend Kleinlandwirtschaft mit Weidehaltung. Die natürliche Balance zwischen Artenvielfalt sowie Nutzung der Wiesen blieb erhalten. Auf den Weiden grasten Allgäuer Rinder. Reife Gräser der Streuwiesen lieferten die Einstreu für den Stall. Mit dem Festmist kamen die Pflanzensamen wieder zurück auf die Felder. Dieser Kreislauf gewährleistete für lange Zeit die Erneuerung von Wildblumen und Gräsern sowie die Bodenfruchtbarkeit der Wiesen. Heute hat sich das grundlegend geändert. Das Günztal und die umgebenden Landkreise bilden einer der rinderreichsten Regionen Deutschlands. Die Hochleistungsrinder bleiben im Laufstall. Landwirtschaftliche Betriebe müssen effizienter und kostendeckender arbeiten, damit sie am Weltmarkt  eine Chance haben, sagen Politiker. Hochleistungsrinder verlangen nach eiweißreichem Futter, um genug Milch geben zu können. Die Felder und  Wiesen werden bis zu fünf mal im Jahr für die Silage gemäht und liefern dadurch noch nur Gras für Futterzwecke. Die Jauche kommt zurück auf die Wiesen, wo sie die Böden mit Nitraten belastet. Durch das häufige Mähen haben Pflanzen und Gräser keine Zeit mehr zum Versamen.

Weiter nördlich von Ottobeuren kommt im Günztal zum Grünland Ackerbau hinzu. Biogasanlagen verlangen nach Maisanbau und mehr Biomasse zum Vergären. Manche Landwirte lassen sich sogar dazu verleiten, ihre Wiesen mit nur einer einzigen nährstoffliebenden Grasart (Weidelgras) zu bestellen, um nährstoffreicheres Viehfutter zu haben. Die zunehmende Verdrängung autochthoner Grasarten und Blütenpflanzen führt im Günztal  zwangsläufig zu einer Verarmung der Agrarlandschaft. Der Intensivierungsdruck auf die letzten naturnahen Wiesen ist im Günztal enorm.

Diese Bewirtschaftungsform im Günztal hinterlässt deutliche Spuren. In den umliegenden Wiesen der Günz kann man den Unterschied zwischen intensiver Grünlandwirtschaft und renaturierten Wiesen gut beobachten.

Die Stiftung KulturLandschaft Günztal

Der Initiator der Günztalstiftung, Michael Nett, wollte sich mit dieser Fehlentwicklung im Günztal nicht abfinden. Sein Engagement für einen achtsamen Umgang mit der Natur führte im Jahre 2000 zur Gründung der Stiftung KulturLandschaft Günztal. Es konnten ökologisch wertvolle Grundstücke für den Naturschutz gesichert werden. Da das Gebiet keinen offiziellen Schutzstatus hat (nur ein Prozent der Fläche steht unter Naturschutz), ist Flächenankauf oder Flächentausch die einzige Möglichkeit für Schutzmaßnahmen. Auf den erworbenen Flächen der Günztal Stiftung wird der Mähzeitpunkt, die Beweidung durch Vieh naturschutzgerecht gemanagt. Dass es wieder mehr artenreiche Wiesenstandorte im Günztal gibt, ist der Stiftung KulturLandschaft Günztal zu verdanken.

Gebietsbetreuer Peter Guggenberger zeigt mir die renaturierte Flächen. Deutlich ist zu erkennen, wie sie sich nach zehn Jahren wieder eine Pflanzenvielfalt entwickelt hat. Manche Arten sind zurückgekommen, jedoch nicht alle. »Es kann bis zu 30 Jahre dauern, bis Nährstoffe abgebaut und soweit reduziert sind, damit der Boden für die ursprüngliche Pflanzenvielfalt wieder geeignet ist«, erläutert Gebietsbetreuer Peter Guggenberger.

Im Günztal soll ein Biotopverbund entstehen, damit ein biologischer Austausch stattfinden kann. Durch diese Vernetzung entsteht eine artenreichere Landschaft, die sich selbst erhalten und regenerieren kann. Gemeinden und der Bayerische Staat stellen dafür Förderprogramme zur Verfügung.

Original Braunvieh als Landschaftspfleger im Günztal

Das Grünland im Günztal ist durch Beweidung von Rindern entstanden. Eine Beweidung durch Vieh ist selektiv und lässt eine Wiese mit unterschiedlicher Struktur entstehen. Durch Huftritt entstehen offene Stellen im Boden, die Kleinstlebensräume für Pflanzenkeimlinge, für Wildbienen und Insekten sind. Dornige Sträucher und Disteln werden nicht abgefressen, sie bieten später Samen für den Distelfink sowie Nektar für Schmetterlinge. Im Fell der Weidetiere bleiben Pflanzensamen hängen, die an andere Stellen der Region transportiert werden. In alten Heustadeln und Holzhütten finden Vögel wie Rotschwanz, Kuckuck und Eule ihre Kinderstube.

Original Braunvieh wird bevorzugt im Günztal als Landschaftspfleger eingesetzt. Die etwas kleineren, robusten Tiere sind eine multifunktionale, bodenständige Rasse, die hauptsächlich zur Fleischerzeugung dient. Das Original Braunvieh ist genügsam, ihr Körperbau ist stämmig, außerdem sind sie gute Futterverwerter.

In der Region Günztal gibt es engagierte Nebenerwerbslandwirte, die mit Herzblut an dieser Landschaft und am Original Braunvieh interessiert sind. Diese Allgäuer Rinder werden ausschließlich als Weideochsen gehalten. Sie wachsen langsam und kommen im Alter von zwei bis zweieinhalb Jahren zum Schlachter. Diese Betriebe bieten bestes Weidebeef an und vertreiben das Produkt überwiegend in Selbstvermarktung ab Hof.

Meine Wanderung durch das Günztal mit Fotostopps und Zufallsbegegnungen hat länger gedauert als geplant. Deswegen kommt mir die Schlossmühle Liebenthann gelegen. Nach einer gemütlichen Einkehr ist es nicht mehr weit zum Parkplatz am Ausgangspunkt.

Fazit

Auf dieser Wanderung durch das Günztal konnte ich den Konflikt zwischen Landwirtschaft und Naturschutz erkennen. Frisch gemähte und gedüngte Grasflächen stehen auf engstem Raum neben blütenübersäten Biotopwiesen. In sensiblen Regionen, wie hier im Günztal, sollte die Natur Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen bekommen. Biodiversität zu erhalten ist keine nostalgisch angehauchte Romantik, sondern eine Notwendigkeit um bedrohte Arten zu erhalten. Ein Hoffnungsschimmer wäre eine bessere Landwirtschaftspolitik, die viel stärker differenziert und die auf Ökologie mehr Rücksicht nimmt.

> Weiterführende Informationen: Was tun gegen das Insektensterben?

Meine Tipps:

  • Am Pfingstmontag findet an der Schlossmühle Liebenthann im Günztal der alljährliche Mühlentag statt. Die Stiftung KulturLandschaft Günztal bietet Exkursionen und Informationen rund um das Günztal. Mit regionalen Speisen sorgt die Gastronomie der Schlossmühle Liebenthann für das leibliche Wohl der Gäste.
  • Wanderrunde vom Parkplatz bei der Schlossmühle Liebenthann, dem Wegweiser nachlaufen zur Teufelsküche, weiter auf dem Forstweg nach Ronsberg und auf der anderen Seite der Günz zurück zum Parkplatz. Die Wanderung durch das Günztal nutzt überwiegend Forst- und Feldwege, sie ist leicht und dauert 2,5 bis 3 Stunden. Einkehrmöglichkeit in der Schlossmühle Liebenthann.
  • Radweg durch das Günztal: Mit Bahn und Rad können Sie bequem nach Günzach fahren. Vom Bahnhof führt der Weg zur Quelle. Von hier aus sind es rund 92 km bis nach Günzburg an der Donau. Die eben verlaufende Route bietet abwechslungsreiche Landschaft. Zu besichtigen sind Kirchen und Schlösser entlang der Fahrradroute. Das Besondere der Tour sind naturbelassene Abschnitte entlang der Günz.


Mein Dank gilt Gebietsbetreuer Peter Guggenberger von der Günztal Stiftung.

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