Der Goldsteig, Deutschlands längster und abwechslungsreichster Fernwanderweg, feiert 2017 sein zehnjähriges Jubiläum. Er verläuft von Nord nach Süd, von Marktredwitz durch den Oberpfälzer Wald, durch fünf Naturparke, durch den Nationalpark Bayerischer Wald bis nach Passau. Wandern ist kinderleicht und macht glücklich. Jeder kann wandern. Der Mensch kommt körperlich und mental in Bewegung. Wandern baut Alltagsstress ab und zeigt schnell positive Effekte für Körper und Seele.
Es gibt am Goldsteig eine anspruchsvolle Nord- und eine einfachere Südroute. Auf der Tour kommt der Wanderer über acht eintausend Meter hohe Gipfel. Wer die 660 Kilometer lange Tour nicht auf einmal machen möchte, kann kleinere Tagestouren von den Hauptorten aus unternehmen. Entlang des Weges sind zauberhafte Sehenswürdigkeiten, Naturschätze, Wallfahrtsorte, Burgen und Schlösser zu besichtigen.
Zum Kennenlernen treffen wir uns am Vorabend unserer Goldsteig-Tour im Hotel Gasthof zur Linde in Neukirchen beim Hl. Blut. Mit dabei ist Michael Körner, Wegemanager des Goldsteigs. Um das einladende Hotel sind Blumen und ein vielfältiger Kräutergarten. Der junge Gastwirt und Koch Markus Pongratz arbeitet gern mit erlesenen Zutaten aus der Region und mit frischem Grün. Wir bekommen ein feines Menü. Zur Vorspeise Blätter-Blütensalat mit Balsamicoessig, danach ein Kürbiscremsüppchen mit Krustini und als Hauptspeise gibt es gesottenen Tafelspitz mit Meerrettichsoße und Ofenknödel.

Markus macht ein Lagerfeuer. Wir genießen den schönen, lauen Septemberabend im Biergarten. Unser Blick schweift zum Hohen Bogen, der gegenüber liegt und die Grenzregion markiert. Dieser Hügel wird wegen seiner Silhouette im Abendlicht auch »liegender Drache« genannt. Schäfchenwolken ziehen auf und der Vollmond bildet ein schimmerndes Halo am Wolkenhimmel. Dies gilt als sicheres Zeichen für eine baldige Wetterumstellung. Wir hoffen, dass wir die Wanderung am nächsten Tag starten können.
Fotoimpressionen vom Goldsteig
Schnupperwanderung am Goldsteig
Eine Schnuppertour ging zum Kaitersberg und zur Kötztinger Hütte, sie beträgt mit moderater Steigung sechs Kilometer. Am Morgen bringt uns ein Transferbus nach Reitenberg, dem Ausgangspunkt der Tour. Wir biegen in einen Forstweg ein, bald kommt, wie erwartet, Regen auf. Wir legen Regenklamotten an, machen die Rucksäcke wasserdicht und marschieren mit geöffneten Schirmen weiter. Der Pfad steigt an, wir steigen über Steine und quer liegende Baumwurzeln. Ununterbrochen prasselt Regen herunter. Wir lassen uns nicht entmutigen, denn ein »richtiger« Wanderer ist gut ausgerüstet und Regentage haben auch ihren Reiz. Der Weg zum Kaitersberg und zu den Rauchröhren wird steiler und rutschiger, er gleicht mehr einem ausgewaschenen Bachbett als einem Wanderweg.
Wildnis zwischen Granitblöcken
Am Grat des Kaitersberg treten hohe Felsen aus der Waldwildnis heraus. Die Granit- und Gneisbrocken sind überwuchert von langen, stacheligen Brombeerranken. Glänzend vom Regen schimmern grüne Moospolster dazwischen. Auf großen Steinblöcken wachsen Farne. Daneben stehen Samenstände von rot leuchtenden Beerensträuchern und Wildstauden. Wildtieren und Vögeln dienen sie im Herbst und Winter als Nahrungsquelle. Mir gefällt die wildromantische Felsenlandschaft am Goldsteig. Bei Regen und Nebel sieht es hier geheimnisvoll und mystisch aus.
Räuber Heigl lebt als »Robin Hood« des Bayerwaldes weiter.
Im Felslabyrinth am Kaitersberg konnte sich Räuber Heigl (1861-1857) gut verstecken. Michael Heigl hatte drei Kinder und erwarb sich die Sympathien der kleinen Leute. Die Einheimischen schützten den cleveren Räuber, bis ihn ein Denunziant für ein paar lausige Groschen an die Polizei verriet. Eine Treibjagd der Gendarmerie brachte ihn schließlich zur Strecke und bald darauf nach München ins Gefängnis. Dort ermordeten ihn Mitgefangene mit der Eisenkugel, die an sein Bein gefesselt war.
Heigl gilt als Rebell gegen die Obrigkeit und Freund armer Bauern. In der Volkserzählung lebt er als Wilderer, Held und kaltblütiger Gauner weiter. In die bayerische Geschichte ging Räuber Heigl als »Robin Hood des Bayerwaldes« ein.
Am Großen Arbersee.
Mit Gebietsbetreuerin Anette Lafaire unternehmen wir eine Exkursion zum Großen Arbersee, der direkt am Goldsteig liegt. Die letzten Eiszeitgletscher haben Mulden hinterlassen. Darin konnten sich Großer- und Kleiner Arbersee bis heute erhalten. Typisch für diese Karseen sind die schwimmenden Inseln. Moorflächen haben sich vom Untergrund gelöst und schwimmen großflächig auf dem See. Darauf wachsen seltene Pflanzen wie der rundblättrige Sonnentau, der zu den Karnivoren, den fleischfressenden Pflanzen zählt. Moore sind nährstoffarme Magerstandorte. Der Sonnentau hat eine besondere Strategie, um dennoch an Nährstoffe zu kommen. Auf den winzigen Blättern sind feine Blatthaare mit klebrigem Sekret. Daran bleiben kleine Insekten hängen. Seine Tentakeln klemmt der Sonnentau um das Insekt und nimmt damit die gelösten Nährstoffe auf.
Die beiden Karseen haben weder einen Zu- noch einen Ablauf. Fischlaich konnte nur über Wasservögel in den See transportiert werden. Um 1973 war der Arbersee komplett leergefischt. Seit die Fischerei streng reglementiert ist, gibt es wieder eine reiche Fischfauna.
Viele Gäste wandern über den Rundweg am See und an manchen Ferientagen ist der Große Arbersee ein touristischer Hotspot. Dennoch findet der achtsame Gast und Naturliebhaber am Großen Arbersee noch stille Winkel und einmalige Naturromantik.
Diese Arber-See-Region gehört zum Nationalpark Bayerischer Wald. Es versteht sich von selbst, dass niemand die ausgeschilderten Wege verlassen darf. Die Heimat von Biber und Fischotter darf nicht gestört werden.
Die Hänge rundum sind geschützte Naturwaldreservate mit Wildnis und Totholz. Im Gegensatz zum Fichtenforst ist der Naturwald ein ganzheitlicher, lebendiger Organismus. Spechte suchen Insekten und zimmern nebenbei Wohnungen für Eulen und Höhlenbrüter in die Baumstämme. Füchse, Baummarder, Wiesel leben hier, sogar Luchse streifen wieder durchs Revier. Ein zugewanderter Wolf wurde unlängst von einer Wildtierkamera dokumentiert. Diese Tiere sind Anzeiger für ein gut funktionierendes, natürliches Ökosystem.
Der Gast wird große Wildtiere in freier Landschaft eher selten sehen. Für Tierbeobachtung gibt es zwei große Wildtierparks. Im Norden ist die Gehegezone Falkenstein mit dem modern gestalteten “Haus zur Wildnis” einen Besuch wert. Im Nationalparkzentrum Neuschönau befindet sich das “Hans-Eisenmann-Haus”. Gleich daneben ist eine Gehegezone mit einem fünf Kilometer langen Rundweg. Hier sind die Tiere in weitläufigen Gehegen mit natürlichem Ambiente untergebracht. Wölfe und Luchse zeigen ihr natürliches Verhalten, können ungestört beobachtet und sogar fotografiert werden. Sehr empfehlenswert für Familien, denn Kinder werden Freude daran haben.
Großer Arber – am Goldsteig die höchste Erhebung
Im wahrsten Sinne eine herausragende Bedeutung für die Region hat der Große Arber. Er ist mit 1.455,5 m ü. NHN die höchste Erhebung. Magnet für Wintersportler und im Sommer für Wanderer. Das Klima im Gipfelbereich ist alpin. Hier gedeihen Pflanzenarten wie der seltene Purpurenzian. Daneben haben seltene Vogelarten wie die Alpenbraunelle, der Bergpieper und Auerhühner ihr Refugium gefunden. Der Blick vom Gipfel reicht vom Bayerischen Wald über die Waldwogen des tschechischen Nationalparks Sumava. Es ist das größte zusammenhängende Waldgebiet Mitteleuropas.
Regen begleitet uns seit Tagen. Wir beschließen, mit der Arberbahn zum Arber Schutzhaus hoch zu fahren. Der Berg und die Gebäude sind in Besitz der Sigmaringer Hohenzollern. Wir nächtigen im renovierten Arberhaus und lassen uns mit Bayerischen Spezialitäten verwöhnen.

Hervorragende Gastronomie.
Nicht unerheblich für eine gelungene Wandertour sind Gastgeber, die sich auf Wanderer einstellen und ihr Angebot darauf ausrichten. Am Goldsteig haben sich 70 Gastbetriebe, von der Jugendherberge bis zum 4 Sterne Wellnesshotel, als “Ge(h)nuss-Partner, zusammengeschlossen. Geboten wird guter Service mit Zimmerreservierung, Gepäcktransport, es gibt Wanderkarten, eine gute Wanderberatung und Trockenräume für durchnässte Kleidung, aber auch allerfeinste Gourmetspeisen mit regionalen Produkten. Wer in einer “GUTI” Region nächtigt bekommt diesen Leckerbissen: Das Gäste-Service-Umweltticket „GUTi“ ermöglicht kostenlose Nutzung der Waldbahn und Busse. Manche Gastgeber bieten auf Zuruf einen Shuttledienst zu den Ausgangs- und Endpunkten der Tagesetappen.
Vom deutschen Wanderverband ausgezeichnet.
Der Deutsche Wanderverband hat den Goldsteig nach Qualitätskriterien getestet und als »Qualitätsweg« ausgezeichnet. Zu den Prüfungskriterien zählen naturnahe Wege, gute Markierung, Abwechslung, attraktive Naturlandschaften, eindrucksvolle Aussichtspunkte und gute Einkehrmöglichkeiten. Im Mittelpunkt stehen die Bedürfnisse des Wanderers.
Der Goldsteig Fernwanderweg schlängelt sich bergauf und bergab durch die Grenzregionen von der Oberpfalz, Böhmen und Bayern. Er quert die schönsten Regionen, die sehenswertesten Plätze und Aussichtspunkte, die wie auf einer Perlenschnur nacheinander aufgereiht sind. Der Steig führt über alte Handelswege, Schmugglerpfade und Grenzwege, er ist aber nicht identisch mit dem historischen Goldenen Steig. Mit allen Wegalternativen und Runden kommen 1500 Wanderkilometer zusammen.
Handelsroute des Mittelalters
Im Mittelalter führte der historische Goldene Steig von der Donau bis nach Böhmen und die »Gulden Straß« von Nürnberg bis Prag. Die drei Hauptrouten in Ost-Westrichtung waren durch Nebenwege miteinander verbunden. Salz, auch »Weißes Gold« genannt, kam aus den Salinen von Hallein, Bad Reichenhall, Salzburg und Berchtesgaden. Es wurde erst auf dem Wasserweg bis Passau transportiert, dann packten Säumer das Salz auf Pferde und Wagen und transportierten es über die Höhen des Bayerischen Waldes bis Böhmen. Auf dem Rückweg nahmen sie Korn, Gewürze und Metalle aus Mähren mit nach Bayern. Die beschwerlichen Saumpfade führten an Goldbächen, Goldgruben und Glashütten vorbei. Die Waldwildnis wurde zu dieser Zeit mutmaßlich nicht romantisch, sondern als lästiges Hindernis betrachtet. Es gibt Berichte von Räubern und Wegelagerern. An manchen Stellen haben Tragtiere tiefe Hohlwege in der Landschaft hinterlassen, so wie am tschechischen Grenzübergang bei Marchhäuser. Zur Erinnerung an den Goldsteig hängt in einem Gasthaus in Bischofsried ein rostiges Hufeisen an der Wand. Die Handelsroute bestand 1000 Jahre lang bis Kriege, Grenzstreitigkeiten und Strafzölle den Warenaustausch erschwerten. 1706 gab es durch die herrschenden Habsburger ein Verbot der Einfuhr von Salz nach Böhmen und Mähren. Dies bedeutete das Ende für den Goldenen Steig.
Wanderregion am Grünen Dach Europas
In der Grenzregion von Ostbayern, Sumava, Tschechoslowakei wird das erfolgreiche Wegekonzept des Goldsteigs fortgeführt. Im Rahmen dieses Europaprojekts ist derzeit ein Parallelweg auf tschechischer Seite mit vielen Querverbindungen zur Nord- und Südroute des Goldsteigs geplant. Damit entsteht das größte zusammenhängende Wanderwegenetz auf dem Grünen Dach Europas.
Diese Schnuppertouren gaben mir einen faszinierenden Einblick in den Goldsteigweg. Das durchdachte Wegekonzept mit perfekter Beschilderung führt den Wanderer an die schönsten Plätze. Allein 60 ehrenamtlich tätige, regionale Wegepaten sorgen ständig dafür, dass der Weg in Top Zustand bleibt. Ich hätte nie gedacht, dass man in unserem dichtbesiedelten Land noch immer Abenteuer und soviel ursprüngliche Natur finden kann. Bei mir ist der Wunsch gereift, einmal mit mehr Zeit den ganzen Goldsteig zu gehen.

Wandertipps von Michael Körner
Michael empfiehlt frühzeitigen Aufbruch. “Wichtig ist vor dem Start ein reichhaltiges Frühstück, lieber unterwegs weniger essen. Man sollte sich am gleichen Tag noch ausreichend regenerieren, damit man abends wieder fit für den nächsten Tag ist. Stöcke erleichtern das Gehen und geben Sicherheit auf schwierigen Wegen”.
Fernwanderer sind minimalistisch unterwegs. In fünf bis sechs Stunden Wandern legt Michael 20 -25 Kilometer zurück. Auf langen Wanderungen ist ein Tourenrucksack mit Hüftgurt und guter Belüftung am Rücken empfehlenswert. Das Packgewicht des Rucksacks soll acht Kilogramm nicht überschreiten. Schweißabsorbierende Funktionskleidung, die rasch trocknet, ist ratsam. Zwei Hosen sind dabei. Gegen Regen ist ein Poncho nützlich, nicht fehlen darf eine zusätzliche Regenjacke sowie eine Regenhose. Außerdem eine Trinkflasche mit mindestens eineinhalb Liter Flüssigkeit. Zum Essen zwischendurch braucht Michael nur ein paar Snacks, Nüsse, etwas Käse und ein Stück Baquette.
Fernwanderwege haben meist gute Markierungen und Beschilderungen. Es gibt fast überall Mobilfunk. Heute lassen sich mit Smartphone Apps oder Googlemaps die Wanderrouten vorher studieren.
Wichtig sind Schuhe und Wandersocken. Mike läuft mit weichen, knöchelhohen Wanderschuhen. »Der Schuh soll Halt geben und der Fuß gut abrollen können«, sagt er. Über die Wandersocken kommt ein kurzer Nylonstrumpf, damit beim Gehen auf der Haut keine Reibung entsteht. Babypuder verhindert Blasenbildung und die Füße bleiben trocken. So vorbereitet macht eine Wanderung Spaß.
Abstecher zum Further Drachen

Dank an Frau Ulrike Eberl-Walter vom Tourismusverband Ostbayern für die Einladung und Mike Körner für die hilfreichen Informationen.